Windkraft – der regionale Beitrag zur Energiewende ist eine solidarische Verpflichtung

Regionalfraktion Freie Wähler befürwortet tragfähigen Kompromiss – Kommen ca. 50 Vorranggebiete?

Die gesamtgesellschaftlich gewünschte Energiewende kann nur gelingen, wenn alle nachhaltigen Energiequellen aktiv genutzt werden. Neben Wasserkraft, Sonnenstrom und Biomasse liefert die Windkraft dazu einen entscheidenden Beitrag. Auch wenn in unserer Region keine optimalen Windverhältnisse herrschen, die dichte Besiedlung enge Grenzen zieht und Natur-, Landschafts- und Tierschutz hohe Hürden darstellen, müssen wir uns dieser Verantwortung stellen. Die erforderliche Solidargemeinschaft kann nicht bedeuten, dass wir in unserer Region einen weit über dem Schnitt liegenden Energiebedarf haben, die Erzeugung über Windkraft aber überwiegend dem windreichen Norden überlassen. Ganz abgesehen von dem Widerstand, den Überlandstromtrassen auslösen. Die Lösung der Energiefrage setzt entschlossene Schritte zur dezentralen Erzeugung voraus.

Selten hat sich zu einer regionalen Planungsfrage eine so emotionale, eine so polarisierende, eine so breite (Bürger, Städte und Gemeinden, Fachbehörden, Interessenvertretungen) Diskussion entwickelt. Wir Freien Wähler anerkennen, dass auf allen Seiten – und auch in unserem Kreis – mit hohem Engagement der richtige Weg gesucht wird.

Nach umfangreichen Beratungen in der Fraktion, vielen Ortsterminen und dem Studium der bestens aufbereiteten Unterlagen der Verbandsgeschäftsstelle, bleiben wir bei unserer im Grundsatz windkraftfreundlichen Position.

Wir verhehlen nicht, dass es auch in unserem Kreis eine Bandbreite von Meinungen gibt, sowohl in der Grundsatzfrage als auch zu einzelnen Vorranggebieten für Windkraft (VRG). Eine deutliche Mehrheit in der Fraktion vertritt die Position, dass auch in unserer Region Windkraft ermöglicht werden muss.

Dieser windkraftfreundlichen Linie liegen folgende Gesichtspunkte zugrunde: 

• Windenergie ist bei den erneuerbaren Energien neben Wasserkraft eine kostengünstige Technologie zur Strombereitstellung.

• Sie verfügt über marktnahe Gestehungskosten, die energetische Amortisationszeit beträgt ca. 1 Jahr.

• Unser Land und besonders unsere Region als Industriestandort benötigen aufgrund des Ausstiegs aus emissionsstarken Erzeugungsarten sowie aus der Atomkraft besonders hohe Ersatzkapazitäten.

• Wir sehen auch eine besondere Verantwortung für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes.

• Wohl wissend, dass der Anteil der Windkraft am Gesamtenergiebedarf überschaubar bleibt, sind uns auch diese Beiträge zur Energiemenge und zur Versorgungssicherheit wichtig.

• Windenergieanlagen vor Ort sind drei- bis viermal kostengünstiger als Offshore-Anlagen und brauchen keine teuren und ebenso umstrittenen Fernleitungen.

Wir sehen daher gute Gründe, einen „substantiellen Beitrag“ zu Vorranggebieten zu leisten, auch in unserer Region. Das ist unser Auftrag in diesem Abwägungsvorgang, sonst entziehen wir uns der Verantwortung.

Unsere rein sachbezogene Position in diesem Verfahren und zu diesem Zeitpunkt ist auch von folgenden Erkenntnissen geprägt:

• Wir Freien Wähler sprechen ausdrücklich nicht von Standorten, sondern von Vorranggebieten für Windkraft. Wir wollen Optionen schaffen. Erst im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren können standortbezogen Fragen wie Abstand zur Wohnbebauung, Lärmschutz etc. geprüft werden.

• Wir erwarten, dass in den notwendigen Genehmigungsverfahren für die weitere Realisierung noch viele Vorhaben auf der Strecke bleiben (Artenschutz, Flugsicherung, Wetterradar, Windhöffigkeit, Wirtschaftlichkeit, usw.).

• Wir sehen aber auch, dass aufgrund des technischen Fortschritts VRG evtl. später noch interessant werden können, auch wenn sie sich jetzt noch als unwirtschaftlich erweisen. Auch deshalb wollen wir Optionen offenhalten.

• Wir lehnen den Vergleich mit den Kriterien für VRG in anderen Regionen ab, weil nur in unserer Region Stuttgart die ausgewiesenen VRG das Ende der Fahnenstange sind, während in anderen Regionen weitere riesige Gebiete für Windkraftanlagen in Frage kommen.

Aus all diesen Überlegungen speist sich unsere Grundhaltung:

• Wir halten das von der Geschäftsstelle vorbereitete System der Bewertung der abwägungsrelevanten Kriterien und das entsprechende Punktsystem für qualifiziert und geeignet für unsere Abwägung.

• Wir wollen 18 VRG grundsätzlich ausscheiden. Diese haben in der Kombination der Kriterien „Freiraum“ sowie „Wind und Fläche“ eine ungünstige Bewertung erfahren.

• Von den 77 VRG verbleiben somit für uns 59 VRG, von denen möglicherweise einzelne in den anstehenden Beratungen durch Mehrheitsbeschlüsse entfallen werden. Wir halten aber eine Gesamtzahl von über 50 VRG für wünschenswert.

• Selbstverständlich nehmen wir teil an der genaueren Betrachtung einzelner weiterer VRG. Wir werden uns dabei aber immer von unserer Grundposition leiten lassen.

Zusammenfassung:

• Die Energiewende ist für uns kein Thema für Sonntagsreden, sondern konkrete Notwendigkeit.

• Wir sehen uns in der Verantwortung, in der Region Stuttgart einen„substantiellen Beitrag“ zu leisten für VRG.

• Wir verstehen dies als Beitrag zu umweltfreundlicher, dezentraler Versorgungssicherheit und -unabhängigkeit.

• Wir legen keine Standorte fest für WEA, sondern wir schaffen lediglich Optionen mit den VRG.

• Standorte werden konkret in den jeweils erforderlichen, sich anschließenden Genehmigungsverfahren. Dort kommt es in allen Fällen noch zu detaillierten, jetzt nicht abschließend zu klärenden Überprüfungen.

Fraktionsvorsitzender Oberbürgermeister Andreas Hesky und der Sprecher im Planungsausschuss, Bürgermeister Wilfried Wallbrecht, weisen darauf hin, dass eine jahrelange intensive Planungsarbeit noch im September zu einem vorläufigen Abschluss kommen wird. Dann wird sich zeigen, ob die Region Stuttgart einen wirksamen Beitrag zum landespolitischen Ziel, 1200 Windkraftanlagen zu ermöglichen, leisten kann. Sie merken kritisch an, dass die Unterstützung der Politik in diesem Prozess weit hinter den vollmundigen Ankündigungen zurückgeblieben ist. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die grün-rote Landesregierung es nicht allein den Regionalverbänden und Kommunen überlässt, „die Kohlen aus dem Feuer zu holen“. Wer sich ein so hohes Ziel steckt, muss auch bereit sein, nicht nur die große Linie zu verkünden, sondern auch vor Ort Überzeugungsarbeit zu leisten.

(Wilfried Wallbrecht)

Anmerkung: In der Sitzung des Planungsausschusses am 15. Juli wurden weitere 7 Vorranggebiete gestrichen.

 

 

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