Regionalversammlung verabschiedet Etat 2015

Freie Wähler stimmen zu – Etatvolumen 323 Mio. €

Eine Vielzahl von Anträgen begleitete die Ausschussberatungen über den Etat 2015 der Region. Es ist nicht der Stil der Fraktion Freie Wähler, eine Flut von Schauanträgen zu stellen, wie es teilweise von den Parteifraktionen erfolgt ist. Oft haben diese keinen unmittelbaren Haushaltsbezug und belasten die Verbandsverwaltung sehr stark. Mit fünf Anträgen, u.a. zum Wohnraummangel und zur Situation des Einzelhandels in der Region, beschränkte sich die Fraktion auf aktuelle und drängende Themen. Sie fanden in den Beratungen weitgehend klare Mehrheiten.

Fraktionsvorsitzender Andreas Hesky

Fraktionsvorsitzender
Andreas Hesky

Fraktionsvorsitzender Andreas Hesky führte in der Regionalversammlung aus:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Bopp,
liebe Frau Regionaldirektorin Dr. Schelling,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir Freien Wähler haben unsere Haushaltsrede in der Regionalversammlung am 5. November 2014 gehalten. Dabei haben wir unsere Einschätzung der Situation des Verbands und unsere politischen Vorstellungen dargelegt. Diese sind konkret in fünf Anträge eingeflossen, mit denen wir unsere Region besser positionieren wollen.

Wir haben die Themen aufgegriffen, die derzeit am dringendsten gelöst werden müssen und bei denen Kommunen eine regionale Unterstützung gut gebrauchen können. Das sind Wohnraum, Fachkräftemangel, interkommunale Zusammenarbeit und Standortmarketing. 

Es freut uns sehr, dass gerade unser Antrag zur Verbesserung der Wohnungssituation sowohl im Planungsausschuss als auch bei der Geschäftsstelle auf positive Resonanz gestoßen ist. Das ist der erste Schritt. Nun kommt es darauf an, mit den Kommunen ins Gespräch zu kommen, um die sich dadurch bietenden Chancen zu ergreifen. Sicher, das wird kein einfaches Unterfangen sein, und es wird vor allem darauf ankommen, Vertrauen aufzubauen. Vertrauen darin, dass den Kommunen die Flächen nicht auf Dauer verlustig gehen, die sie heute zur Verfügung stellen. Es muss möglich bleiben, im Bedarfsfall diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder neu auszuweisen. Das wäre echte interkommunale Zusammenarbeit und ein neues tieferes regionales Denken.

Dazu bedarf es keiner finanziellen Anreize, die oft nur mitgenommen werden. Daher haben wir erneut den Versuch unternommen, den neuen Fördertopf zur Beglückung interkommunaler Kooperation einzustellen. Leider fand dies nicht die Mehrheit im WIV. Mit der auf unsere Initiative hin eingerichteten Jury werden wir die Qualitätssicherung und die Einhaltung der eigenen Ansprüche der Verbandsgeschäftsstelle gewährleisten helfen.

Etwas seltsam mutet es nach wie vor an, dass die Verbandsgeschäftsstelle im WIV darlegte, dass der Umbau des i-Punkts der Regio Marketing GmbH am Flughafen aus diesem Fördertopf finanziert werden soll.

Zwei Bemerkungen dazu:

1. Wieder wurde eine Vorwegentscheidung über die Fördermittel getroffen. Das darf künftig nicht mehr vorkommen.

2. Wir brauchen doch keine Programme, um sinnvolle finanzielle Unterstützung für gute Projekte zu gewähren.

Wir Freien Wähler schätzen die Arbeit der Regio GmbH und der Stuttgart Marketing GmbH. Region und Landeshauptstadt sind dadurch insgesamt enger zusammengerückt. Wir freuen uns auf die Vorstellung der Pläne für die neue Touristinfo am Flughafen im WIV und sind sicher, dieses Geld auszugeben lohnt sich.

Ebenso lohnt es sich, dass wir der ikG2019 GmbH beitreten. Mit dem Erwerb des Gesellschaftsanteils machen wir deutlich, wir begrüßen interkommunale Kooperationen, auch über die politischen Grenzen unseres Verbandsgebiets hinaus. Die Aktivitäten der 16 ikG Kommunen sind eine Veredelung unseres Programms Landschaftspark. Wir haben mit überschaubaren Beträgen etwas Großes ins Rollen gebracht. Es darf aber nicht bei der symbolischen Unterstützung mit dem Erwerb des Gesellschaftsanteils bleiben. Wir beteiligen uns nicht an den Kosten der Gartenschau. Aber wir müssen den Sondertopf der Landschaftsparkprojekte insgesamt aufstocken, um allen Kommunen zu signalisieren, sie kommen durch höhere Zuschüsse für das Remstal kommen nicht zu kurz. Wir konnten zwar noch nicht für 2015 den Fördertopf erhöhen, aber in 2016 wird dies sicher notwendig sein, wenn auch die Projekte der ikG Form angenommen und Förderwürdigkeit erreicht haben.

Mit Spannung schauen wir auf den Industrieflächen-Dialog. Aus unserer Sicht liegt die Chance dieses Dialogs aber nicht in der Erkenntnis, wie viele Flächen künftig benötigt werden. Die Kommunen und ihre Wirtschaftsförderer wissen das im Schlaf. Es ist vor allem die Frage zu stellen, welche Rahmenbedingungen und Infrastruktur die Unternehmen benötigen, sonst geht es uns so ähnlich wie bei den Wohnbauflächen. Es gibt genügend, aber keiner will sie an der Stelle, wo sie heute ausgewiesen sind. Der Industrieflächendialog sollte tatsächlich eine Dialogveranstaltung werden, bei der wir als politisch Verantwortliche zuhören, was die Unternehmen heute brauchen und darüber sprechen, also in Dialog treten, wie wir die berechtigten Bedürfnisse der Unternehmen umsetzen können.

Das wird für den einen oder die andere von uns in der Regionalversammlung möglicherweise unbequem. Aber wir müssen uns doch darüber im Klaren sein, dass Unternehmen heute ihren Standort deshalb wählen, weil sie an ihm optimal für den Wettbewerb gerüstet sind und gut wirtschaften können. Und Erweiterung und Wachstum oder auch Innovation werden dort stattfinden, wo sie sich rechnen. Hören wir also zu, was Unternehmen heute wo brauchen – und lassen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, uns dann gemeinsam darüber nachdenken, wie wir diese Rahmenbedingungen schaffen können.

Wir Freien Wähler warnen davor, in einen Schein-Dialog einzutreten, nach dem Motto, lass die Unternehmen nur reden, wir machen doch so weiter wie bisher. Das wäre dann so, wie es dem von grenzenlosem Selbstbewusstsein strotzenden Kapitän eines großen Schiffes erging, der einem Hindernis auf seinem Kurs per Funk die Botschaft zukommen ließ: „Ändern Sie Ihren Kurs. Ich bin ein großes Schiff.“ Darauf kam die Antwort: „Ändern Sie Ihren Kurs.“, was der Kapitän ablehnt, schließlich hält er sich für den Stärkeren. Die jeweils an den anderen gerichtete Aufforderung, dass der jeweils andere seinen Kurs ändern soll, endet erst, als der Kapitän des Schiffes gesagt bekommt, er kann seinen Kurs beibehalten, aber es nützt ihm nichts, ein großes Schiff zu haben, weil das Hindernis, mit dem er sich auf Kollisionskurs befindet, ein Leuchtturm am Festland ist. Lassen wir es nicht soweit kommen. Seien wir uns schneller bewusst, ob wir Leuchtturm oder Schiff sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine ähnlich schwierige Position wie der Kapitän haben wir auch beim Erwerb der weiteren 10 S-Bahnfahrzeuge. Wenn wir bei der S-Bahn die Unpünktlichkeit bekämpfen wollen, zusätzliche Behängungen wegen Überfüllung anstreben, dichteren Takt bestellen und neue Strecken anvisieren, brauchen wir mehr Züge.

Wir stimmen, obwohl der Preis für die Fahrzeuge nach unserer Einschätzung überhöht ist, dem Vertrag der Bahn mit Fa. Bombardier zu, weil wir an die Firma gebunden sind und es keine Alternative gibt. Dennoch stellen wir fest, die Beschaffung der S-Bahn-Fahrzeuge nimmt seltsame Züge an! Man kann sich natürlich alles schön reden, braucht aber viel verklärende Prosa, um es rosarot zu sehen, dass wir einen funktionierenden Schiebetritt bestellt haben und bezahlen. Wenn er aber nicht funktioniert, dann müssen wir auch noch für den Ausbau, die Beseitigung des Problems, bezahlen.

Und das, obwohl die Fahrzeuge vor wenigen Jahren 5,5 Mio. € gekostet haben und wir nun 8,5 Mio. € dafür auf den Tisch legen müssen. Das alles hätte einen Tritt – keinen Schiebetritt – aber bestenfalls vor´s Schienbein verdient!

Ärgerlich bleibt an der Stelle außerdem, dass die S-Bahn der Region Stuttgart das einzig kommunalfinanzierte System eines Regionalverkehrs dieser Dimension im Land ist. Die sich daraus ergebenden kommunalen Lasten sind gravierend. Sie werden uns auf Dauer auch schwer zu schaffen machen und es ist nicht in Sicht, dass wir uns von ihnen befreien können.

Landesweit, auch bei der Rhein-Neckar S-Bahn, tritt das Land als Finanzierer und Besteller auf. Bei der Region Stuttgart wird beim Land nicht einmal über einen Zuschuss nachgedacht. Eine Ungerechtigkeit, die wir seit Jahren, ohne Resonanz, beklagen, ganz gleich, wer in der Villa Reitzenstein das Sagen hat. Selbst in der heutigen Regierungskonstellation, die sich besonders dem ÖPNV verschrieben haben will, ist kein Signal zu hören, dass man alles unternimmt, um den S-Bahnverkehr in der stärksten Region des Landes am Laufen zu halten. Man schiebt alles auf Berlin, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Trotz dieser unbefriedigenden Situation kaufen wir auch deshalb die 10 S-Bahnfahrzeuge, weil wir die S 2 nach Neuhausen nicht aufgeben wollen. Ganz im Gegenteil, wir wollen, dass an ihr mit Hochdruck weitergeplant wird, um die Chance zu wahren, eine GVFG Mit-Finanzierung zu erhalten. Es mutet wie ein schlechter Scherz an, dass der Bund das Programm einstellen möchte und das Land nicht über einen Ersatz nachdenkt.

Keine Kommune, keine Kreiskasse oder gar die regionale Kasse könnte den weiteren Ausbau ohne GVFG Finanzierung mehr stemmen. Es wird schon jetzt enorm schwer, nachdem das Land den GVFG-Anteil auf 50% der Kosten reduziert hat, in der Meinung, damit würden mehr Projekte in Gang gesetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Stärke des GVFG lag darin, dass auch kleinere Kommunen große ÖPNV-Projekte umsetzen konnten, weil 75 % von Bund und Land kamen.

Bei einem nur noch 50-%-Zuschuss bei einem Millionen -Vorhaben, wie dem Ausbau von S-Bahnen oder anderen schienengebundenen Maßnahmen, wird der kommunale Bissen zu einem Brocken, der einem im Halse stecken bleibt. Mit einer Einschränkung: Für Pedelecstationen oder den Radwegausbau reichen 50 %, allerdings fahren dort selten S-Bahnen.

Noch ein Wort zum ÖPNV. Durch den ÖPNV-Pakt wurde das Aufgabenfeld der Regionalpolitik erweitert und neu in den Fokus gerückt. Die Expressbuslinien sollen, hoffentlich in einem Tempo, das ihrem Namen gerecht wird, bisher für den ÖPNV unbekannte Welten erschließen. Abseits der großen Verkehrsachsen werden künftig Busse abgelegene Siedlungsbereiche mit den Mittelzentren verbinden. Es ist gut, dass man nicht alle Linien sofort beschlossen hat und zunächst Erfahrungen sammelt auf den Achsen, die sich vielversprechend anhören. Wir wollen keine Spielverderber sein, ganz im Gegenteil, weil die Expressbuslinien auch unsere Vorstellungen einer optimierten Siedlungspolitik unterstützen. Es wird Bereiche in unserer Region geben, die nie mit der S-Bahn erreicht werden können. Diese Gebiete sind bisher auf ihre Eigenentwicklung beschränkt.

Wir Freien Wähler sehen in den Expressbuslinien ein wichtiges siedlungspolitisches Signal. Sie sind die Grundlage für neue Entwicklungsachsen, die den Kommunen dort neue Aufsiedlungsmöglichkeiten erlauben. Durch die Expressbuslinien können rasch S-Bahnknoten erreicht werden, sodass die Forderung, neue Siedlungsbereiche nur S-Bahn-nah zu schaffen, erfüllt ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Freien Wähler werden manchmal als regionskritisch bezeichnet. Dass dem nicht so ist, zeigen unsere Anträge und unsere Haltung zu den zentralen Themen der Region. Wir schreien nicht sofort Hurra und bejubeln nicht alles, worauf das Etikett Region klebt. Weil oft viel mehr Kommune oder Kreis drin ist. Wir sehen uns als themenkritische Kraft und als Freunde der Region, weil wir sie benötigen, um wichtige überörtliche Aufgaben zu lösen. Dass uns dieses gelingt, im Schulterschluss mit den weiteren kommunalen Akteuren, daran arbeiten wir nach Kräften mit. Der Haushaltsplan 2015 bietet eine gute Grundlage, die anstehenden Herausforderungen des nächsten Jahres zu meistern.

Wir werden dem Haushalt daher zustimmen.

Der Geschäftsstelle danken wir für ihre Arbeit und der Regionalversammlung für die Beratungen.

 

Termine

Freie Wähler in der Region Stuttgart