Fortschreibung des Regionalplans Regionalversammlung am 19. Juli 2006

OB a.D. Alfred Bachofer, Sprecher der Fraktion im Planungsausschuss

Es ist gut, dass es die Region Stuttgart gibt. Sie ist das Gemeinschaftswerk der Menschen, die hier leben, der Wirtschaft und der 179 Städte und Gemeinden. Unsere Region nimmt in jeder Hinsicht einen Spitzenplatz im Land und im Bundesgebiet ein. In der überaus erfolgreichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte in einem weitgehend freien Spiel der Kräfte hat es natürlich auch Fehler gegeben. Die Lebenserfahrung hat uns aber gezeigt, dass wirkliche Fehlentwicklungen überwiegend dort entstehen, wo zentralistisch geplant und gesteuert wird.

Es ist gut, dass es den Verband Region Stuttgart gibt. Er ist aber nicht „die Region“, sondern ein Teil davon, er ist nicht Vorgesetzter, sondern Partner der Gemeinden, er muss Motor bleiben und nicht zum Bremser werden. Nur wenn – um im kommunalen Verantwortungsbereich zu bleiben – Verband und Gemeinden an einem Strang ziehen, ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis gepflegt wird und man respektiert, dass kommunale Selbstverwaltung Verfassungsrang hat und der Regionalplanung vorgeht, wird man den Erfolg der Vergangenheit auch in die Zukunft tragen können. Dies heißt natürlich nicht schrankenlose Selbstverwirklichung einzelner Kommunen, sondern es gehört die Erkenntnis dazu, dass die eigene Freiheit ihre Grenzen im Selbstverwaltungsrecht anderer Gemeinden findet.

Ich stelle diese grundsätzlichen Feststellungen an den Anfang, weil im Regionalplan die Felder der jeweiligen Verantwortlichkeit definiert und aufgezeigt werden müssen.

Man wundert sich über uns!

Während andere Regionen stolze Wachstumszahlen aufweisen, dies als Erfolg erkennen und darauf für die Zukunft aufbauen, verfallen wir in eine fast gegensätzliche Stimmung. Unser Verband erstellt teure Gutachten, um nachzuweisen, dass wir Mühe haben, die Zahl der Arbeitsplätze zu halten, um aufzuzeigen, dass weit weniger Menschen zu uns ziehen wollen als in der Vergangenheit und sammelt alle Argumente um die Flächenpotentiale reduzieren zu können, die die Gemeinden und die Wirtschaft als Gestaltungsspielraum brauchen. Notwendige Entwicklungschancen werden als Landverbrauch oder gar Flächenfraß gekennzeichnet, zumindest einem Teil der Gemeinden die Fähigkeit abgesprochen, mit gegebenen Handlungsspielräumen verantwortungsbewusst umzugehen. Dazu gehört die Idee, beim Verband unter der Bezeichnung „Kompetenzstelle Innenentwicklung“ eine Beratungsstelle einzurichten, die den Gemeinden bei der Bauleitplanung unter die Arme greifen soll. Der kommunale Raum hat bisher eine solche „Beratung“ nicht vermisst.

Apropos Landverbrauch, gegen den alle möglichen Ebenen – hinauf bis zur großen Politik – wettern, unser Verband mit Herrn Dr. Vallée als eine Art Wanderprediger. Das Wort „Flächenfraߓ ist bewusste Demagogie. Bauen ist natürlich ein Eingriff in den Naturhaushalt, Land wird aber nicht verbraucht, sondern anders genutzt. Diese „andere Nutzung“ bedeutet nichts anderes, als das jemand den Mut und das Geld dafür aufbringt, sich Wohneigentum zu schaffen, Arbeitsplätze entstehen lässt oder Infrastruktur (Straßen, Schiene, Messe u.a.) bereitstellt. Dieser, ich verwende jetzt bewusst den Begriff „Landverbrauch“, ist die Grundlage unseres Wohlstands, ermöglicht Bildung, Kultur, Umweltschutz, Erholung – schafft unsere Lebensqualität.

Bemerkenswert ist, dass diese Kritik häufig von denen kommt, die zu ihren Gunsten bereits Land in Anspruch genommen haben.

Nicht alles lässt sich planen!

Man kann Straßen planen oder Regional- und Flächennutzungspläne erstellen, die Freizügigkeit und den Wanderungswillen der Menschen kann und darf man nicht zu weit gehend einschränken. Das beweist die Geschichte und wird auch die Zukunft zeigen. Deshalb kann das Pestelgutachten, das wir mit seinen ohnehin veränderbaren Annahmen in seinem Kern gar nicht angreifen wollen, bestenfalls eine Beratungshilfe, keinesfalls aber ein Dogma darstellen.

So wie es in der Vergangenheit Auf- und Abwärtsbewegungen in der Bevölkerungsentwicklung gegeben hat, führen die gegenwärtige Wirtschaftslage und natürlich auch die Demografie zu einer Abschwächung. Wenn die Konjunktur bei uns und in der Welt wieder nach oben geht, kann und wird sich dies schnell verändern. Deshalb muss unsere Region Wachstum aktivieren und darf nicht auch noch künstlich bremsen. Es ist richtig, dass die Arbeitsplatzsituation einen hohen Einfluss auf die Zuwanderung hat. Eine aktive Entwicklungspolitik erzeugt aber auch eine positive Wechselwirkung zwischen beiden Komponenten.

Gestaltungsspielraum heißt nicht Baulanderschließung ohne Bedarf!

Optimistische Zuwachsraten, die den Gemeinden den notwendigen Handlungs- und Gestaltungsspielraum geben, bedeuten noch lange nicht die Realisierung von Bauland. Die Gemeinden kennen sehr wohl den Bedarf und auch das Risiko einer überzogenen Baulanderschließung. Der Markt verhindert ganz von selbst ungesunde Entwicklungen. Klar ist aber auch, dass eine Verknappung von Bauland und Wohnraum zu Lasten derer geht, die Wohnraum brauchen. Diese soziale Verantwortung liegt auch bei den Gemeinden!

Natürlich Innen- vor Außenentwicklung!

Es ist längst eine Binsenweisheit, dass das Gebot lautet: Innen- vor Außenentwicklung. Nichts anderes sind seit Jahrzehnten die Erfolge der Stadtsanierung, die Tausende von Wohnungen in die urbane Lage der Städte und Gemeinden zurückgebracht haben. Gleiches gilt für Industriebrachen und andere Innenflächen. Wo sie verfügbar sind, werden sie genutzt, weil es wenig Kosten verursacht und die innerörtliche Infrastruktur stützt. Zuwachs darf eben nicht mit ausufernden Neubaugebieten gleichgesetzt werden, die mit ihrer rückläufigen Bevölkerungsdichte zu Kostenfallen für die Gemeinden und die Bewohner werden können.

Wir stehen im Wettbewerb!

Auf Seite 16 (unten) der Vorlage steht ein Satz, den wir voll unterschreiben: „Die sparsame Flächennutzung darf nicht in Restriktionen umschlagen, die eine weitere Entwicklung der Region hemmt oder Nachteile im Verhältnis zum Umland schafft“. Genau dies ist gegenwärtig Realität und eine Gefahr in der Zukunft. Im Wettbewerb der Metropolregionen (München, Frankfurt) aber auch mit den benachbarten Regionen (Heilbronn-Franken, Neckar-Alb) legt die Linie der Verwaltung künstliche Fesseln an, die von anderen als Einladung aufgefasst werden muss, uns Einwohner und Arbeitsplätze abzuwerben. Hoffen wir, dass die Absichtserklärung der Partner in der Metropolregion Stuttgart, Regionalplanung nach gleichen Maßstäben zu betreiben, kein Lippenbekenntnis darstellt.

Differenzierte Betrachtungen notwendig!

Mögliche Entwicklungen müssen auf der Ebene der Flächennutzungsplanung sorgfältig und differenziert untersucht werden. Sonderfaktoren, wie z.B. ein hohes Arbeitsplatzangebot, müssen Berücksichtigung finden. Betrachtungen auf Mittelbereichsebene wären zu grobmaschig.

Lasst Zahlen sprechen!

Lassen Sie mich mit wenigen Zahlen belegen, dass die Vorlage mit Kanonen nach Spatzen schießt. Die Gesamtfläche der Region beträgt 365 000 ha, Davon sind etwa 78 % Landwirtschaft, Wald und Wasser. Die Siedlungs- und Verkehrsflächen betragen 22 % oder 80 000 ha. Die Verwaltung will nun für die kommenden 20 Jahre insgesamt 1 500 ha neue Wohnbauflächen zulassen. Das wären 0,4 % der Regionsfläche und etwa 1,9 % der heute besiedelten Fläche. Auch ein Mehrfaches davon, wenn es denn tatsächlich auch gebraucht würde, wäre keine unverantwortbare Flächenumnutzung.

Eigenentwicklung darf nicht zum Verlust der Basisinfrastruktur führen!

Wir haben zwar so gut wie nichts zu verteilen, aber dies muss nach der reinen Lehre geschehen. So die Devise der Verwaltung. Die Konzentration des in jedem Fall geringen Zuwachses auf die Zentralorte und Entwicklungsachsen ist eine große Gefahr für Gemeinden mit Eigenentwicklung, die einwohnermäßig an der Grenze der Tragfähigkeit für wichtige Infrastruktureinrichten liegen. Die Beschränkung auf die „Eigenentwicklung“ darf keinesfalls dazu führen, dass solche Gemeinden und Stadtteile ihre Grundinfrastruktur – Kindergärten, Grundschule, Einkaufen – verlieren. Diese Orte müssten auf „Herz und Seele“ verzichten. Hier muss nach einer detaillierten Betrachtung eine Mehrzuteilung erfolgen und es den Städten und Gemeinden ermöglicht werden, soviel Zuwachs zu steuern, dass nicht die Kernsubstanz dieser Orte auf der Strecke bleibt.

Der Planungsausschuss hatte meinem Antrag zugestimmt, die Gleichgewichts-Variante zwar in die Beratungen einzubringen, aber nicht vorab und verbindlich der Fortschreibung zu Grunde zu legen, wie dies zunächst von der Verwaltung vorgeschlagen war. Wir wollen diese Offenheit in den weiteren Beratungen.

In der Vorlage ist kritisch vermerkt, dass das Statistische Landesamt in seiner Prognose auf den Werten der Vergangenheit aufbaut. Für die Statistik mag man dies so sehen.

Wir aber möchten, dass genau die ideellen Werte, die uns den Erfolg der vergangenen Jahrzehnte gebracht haben, zur Handlungsmaxime gemacht werden. Nicht das Gängelband für die Kommunen und die Wirtschaft, sondern Partnerschaft, Eigenverantwortung und weitgehende Gestaltungsfreiheit, orientiert an einer Planung, die sich als ein Instrument optimistischer und aktiver Regionalpolitik versteht.

Ansprechpartner
Alfred Bachofer
Paul-Gerhardt-Straße 31
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Fon 07022/47 09 09
Fax 07022/24 10 69
Mail A.Bachofer@gmx.net

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