Flughafenausbau: Position der Regionalfraktion

Position der Fraktion Freie Wähler in der Region Stuttgart zur diskutierten Erweiterung (Zweite Start- und Landebahn) des Flughafens Stuttgart bzw. zu einer Einschränkung des Nachtflugverbots

Die Freien Wähler in der Region Stuttgart haben sich nach Vorliegen des Gutachtens der Flughafengesellschaft intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine zweite Start- und Landebahn und/oder eine Einschränkung des Nachtflugverbots notwendig und verantwortbar sind. Sie haben sich sowohl die Argumente der Flughafengesellschaft angehört, als auch in Gesprächen mit den Freien Wählern in den betroffenen Kommunen und dem Kommunalen Arbeitskreis Filder deren Sichtweise erörtert. Die Regionalfraktion kommt danach zu folgendem Ergebnis:

Eine luftseitige Erweiterung (Bau einer zweiten Start- und Landebahn) des Flughafens Stuttgart und/oder eine Einschränkung des Nachtflugverbots kann den Menschen im Filderraum und in den übrigen vom Flug- und Verkehrslärm betroffenen Städten und Gemeinden nicht zugemutet werden

Folgende Gesichtspunkte sind in diesen Abwägungsprozess eingeflossen:

Argumente, die für einen Ausbau sprechen
Der auch international herausragende Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg mit seiner Kernregion Stuttgart ist auf einen leistungsfähigen Flughafen angewiesen. Die bereits erreichten Kapazitätsgrenzen stellen dies in Frage. Die betrieblichen und wirtschaftlichen Belange des Flughafens erfordern einen luftseitigen Ausbau, weil sonst das Abwandern großer Fluggesellschaften mit der Folge des Verlustes von Arbeitsplätzen zu befürchten ist. Der durchschnittliche Geräuschpegel bei Starts und Landungen ist trotz der erheblichen Zunahme der Flugbewegungen wegen der geräuscharmen Technologie neuer Flugzeuge spürbar zurückgegangen. Auch Fluggesellschaften mit günstigen Tarifen werden zunehmend von Geschäftsreisenden in Anspruch genommen. Die riesigen Investitionen der letzten Jahrzehnte an diesem Standort würden entwertet, wenn der Flughafen im Wettbewerb mit anderen größeren Flughäfen (Frankfurt, München, Zürich) zurückfallen würde. Die zunehmende Mobilität der Menschen, insbesondere der älteren Generation, spricht für einen wohnortnahen und leistungsfähigen Flughafen. Der Verweis auf andere Flughäfen schwächt den Wirtschafts- und Wohnstandort Region Stuttgart.

Allen diesen Gesichtspunkten, ganz gleich ob und wie hoch man sie gewichten will, stehen folgende schwerwiegende

Argumente, die gegen einen Flughafenausbau sprechen

entgegen

Der Flughafen Stuttgart liegt im Zentrum des mit am dichtesten besiedelten Raumes in Baden-Württemberg und im Bundesgebiet. Wohn- und schallempfindliche Gewerbegebiete sind bis unmittelbar an den Flughafen herangerückt. Diese Entwicklungen sind zumindest teilweise vor dem Hintergrund der Überzeugung eingeleitet worden, dass kein weiterer luftseitiger Ausbau mehr erfolgt. Den Kommunen im Einflussbereich des Flughafens drohen als Folge des vorhandenen und ggf weiter steigenden Fluglärms empfindliche Beschränkungen bei der baulichen Weiterentwicklung. Durch die Novelle zum Fluglärmgesetz vom Juni 2007 wurden die Grenzwerte für Zonen, die nicht mit Wohnungen bebaut werden dürfen, noch einmal deutlich verschärft. Dies bedeutet enorme Wertverluste für die betroffenen Grundstücksbesitzer und die Kommunen in potenziellen Erweiterungsgebieten. Die Lebensqualität im unmittelbaren Einflussgebiet des Flughafens hat sich trotz geringeren Lärms neuer Flugzeuge durch die stark gestiegene Zahl von Flugbewegungen (Verdoppelung seit dem Jahre 1989) dramatisch verschlechtert. Eine zweite Startbahn würde die Zahl von derzeit etwa 160 000 Starts und Landungen auf bis zu 240 000 erhöhen. Wohnungssuchende und Bauwillige meiden zunehmend diese Bereiche. Weite Teile des Landkreises Esslingen und auch der Landkreise Böblingen und Rems-Murr sind durch den An- und Abflugverkehr in ihrer Wohnqualität spürbar gemindert. Es ist zu erwarten, dass durch einen Flughafenausbau und die Ausdehnung bzw. Verlagerung von Einflugschneisen und Warteräumen zusätzlich große Gebiete im Lärmkorridor liegen werden. Nach einer Untersuchung des Umweltministeriums vom September 2007 ist der Großraum um den Flughafen heute schon der Lärmschwerpunkt in Baden-Württemberg. Daher verbietet sich auch jede Einschränkung des Nachtflugverbots. Die hohe Standortqualität des Filderraums mag die flughafenbedingte Wertminderung vorhandener Bebauung ganz oder teilweise ausgleichen. Dies gilt aber nicht für Städte und Gemeinden in den Ein- und Abflugschneisen, deren Bestandsbebauung deutliche Wertverluste erleidet. Die Entwicklungschancen diese Kommunen sind spürbar beeinträchtigt, weil ansiedlungswillige Familien und Firmen zunehmend in weniger belastete Gebiete ausweichen. Der Flächenentzug für Natur und Landwirtschaft (zahlreiche Betriebe wären existenzbedrohend berührt) durch Besiedlung, den Flughafen selbst, die Autobahn, Zubringerstraßen und die Landesmesse hat schon jetzt das tragbare Maß überschritten. Die zusätzliche Inanspruchnahme von rd. 164 bzw.187 ha Fläche ist unverantwortbar. Weitere Flächenentzüge sind in der Diskussion (Ausbau der A 8 auf acht Spuren, Ausbau B 27, ICE-Trasse, Westerweiterung des Flughafens) Zusätzlich zum Fluglärm sind die Belastungen (Lärm und Abgase) aus der Zunahme des Straßenverkehrs weit über die vertretbaren Grenzen hinaus angewachsen. Regelmäßige Staus auf allen wichtigen Verkehrsadern des Filderraums sind schon heute eine schwere Hypothek für dieses Gebiet. Ein schon aus ökologischen Gründen nicht mehr zu vertretender Ausbau des Straßennetzes könnte den drohenden Zuwachs nicht mehr auffangen. Zusätzlicher Verkehr und erhöhtes Staurisiko sind für die Wirtschaft nicht nur ein Ärgernis, es kann zum Argument für eine Verlagerung an einen anderen Standort werden. Der Filderraum mit seiner trotz den geschilderten Belastungen noch immer hohen Standortqualität ist an einer Grenze angelangt, wo weitere Restriktionen ein „Umkippen“ erwarten lassen. Es sind noch nicht alle organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft (Zusammenarbeit mit anderen Flughäfen, Teil/Verlagerung des Tourismusverkehrs, Ausschöpfung der Zeitfenster mit geringeren Flugbewegungen etc.) um die für den Wirtschaftsflugverkehr notwendigen Kapazitäten zu gewährleisten. Dafür können und müssen rein wirtschaftliche Ziele des Flughafens in den Hintergrund treten. Der Ausbau des Schienennetzes (Stuttgart 21) und eine Verbesserung der Verbindungen zu den Flughäfen Frankfurt und München erlauben die Verlagerung von Flugbewegungen ohne erhebliche Qualitätsverluste für die Region Stuttgart. Auch ökologische Aspekte wie Rohstoffverknappung und Klimawandel und ihre möglichen Folgen lassen erwarten, dass die Fluggastzahlen nicht in dem erwarteten Umfang steigen werden. Der Entscheidungsprozess in Landesregierung und Parlament ist auch durch die unbestreitbare Tatsache gekennzeichnet, dass es in der Vergangenheit bei den Großvorhaben Startbahnverlängerung und Messe immer wieder Äußerungen hochrangiger Politiker gegeben hat, weitere Ausbaumaßnahmen nicht mehr zuzulassen. Insoweit haben die betroffenen Menschen einen Vertrauensschutz, dessen Verletzung auch die Glaubwürdigkeit der Landespolitik in Frage stellen würde. Auch wenn es Aufgabe der Flughafengesellschafter ist, die betriebswirtschaftliche Seite eines Ausbaus zu beurteilen, so ist mit Sicherheit ein Aufwand von ca. 600 Mio € verbunden mit den beschriebenen Nachteilen volkswirtschaftlich nicht zu vertreten.

Nach umfassender Abwägung dieser Gesichtspunkte ist die Regionalfraktion zu der Überzeugung gelangt, dass der weitere luftseitige

Ausbau des Flughafens oder eine Einschränkung des Nachtflugverbots nicht zu verantworten sind.

Ansprechpartner:
Alfred Bachofer, Stellvertreter Fraktionsvorsitzender

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