Verabschiedung des Regionalplans in der Sitzung der Regionalversammlung am 22. Juli 2009

Redebeitrag der Fraktion Freie Wähler
Alfred Bachofer, Sprecher im Planungsausschuss
(es gilt das gesprochene Wort)

Die großen Herausforderungen, die vor uns liegen, erfordern Partnerschaft und gegenseitiges Vertrauen. Partnerschaft und Vertrauen zwischen dem Verband Region Stuttgart, den Städten und Gemeinden, den Landkreisen und der Wirtschaft. Sie brauchen auch die weitgehende Akzeptanz der Arbeit dieser Regionalversammlung in der Bürgerschaft. Diese Botschaft sendet der Regionalplan nicht aus, zumindest nicht in der wünschenswerten Weise.

Gemessen an der reinen Lehre bekommt dieses umfangreiche Werk gute Noten. Deshalb zunächst Anerkennung für die immense Arbeit, die die Verwaltung in den letzten Jahren zu erbringen hatte, aber auch wir in den Gremien. Unser Dank gilt Ihnen, Herr Vorsitzender Bopp, der sie in personell schwieriger Situation zusammen mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen außerordentlichen persönlichen Kraftakt bewältigt haben. Sie, Herr Kiwitt, haben unseren Respekt, der Sie mit hoher Sachkunde und in einer ruhigen Souveränität das unter Herrn Dr. Steinacher begonnene Werk zu Ende geführt haben.

Der vorliegende Planentwurf greift wichtige Zukunftsziele auf, nämlich die Herausforderungen, die sich für die Region aus
• den demografischen Veränderungen
• der Globalisierung
• und der Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen
ergeben.
Der Plan stellt sich zwangsläufig in weiten Teilen als „Programm“ dar, für dessen Umsetzung wir nicht selbst stehen können, sondern für dessen Verwirklichung wir andere öffentliche und private Partner gewinnen oder verpflichten müssen. Deshalb sind seine Inhalte wichtig, aber auch seine „Sprache“ und die Art und Weise, wie wir diese Partner einbinden.

Hat sich das dafür notwendige „Regionalbewusstsein“ in den vergangenen 15 Jahren gebildet? Wenn wir ehrlich sind, müssen wir eingestehen, dass sich ein solches gemeinde- und kreisübergreifende Gefühl der Verbundenheit mit der Region nicht in dem angestrebten Maße eingestellt hat. Der neue Regionalplan, den wir in einem durchaus transparenten Beteiligungs- und Diskussionsprozess erarbeitet haben, konnte das nicht bewirken. Eher ist zu befürchten, dass das Gegenteil stattgefunden hat. Wir müssen einfach erkennen – und wir Freien Wähler haben in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen -, dass ein solcher Prozess nur von unten nach oben stattfinden kann. Die Chance, diese Bewusstseinsbildung mit Hilfe des neuen Regionalplans stärker in Gang zu bringen, hat die Mehrheit der Regionalversammlung nicht genutzt.

Bei aller Notwendigkeit übergeordneter Ziele und Vorgaben, muss die Überzeugungsarbeit im fairen Dialog mit den Gemeinden und Landkreisen geschehen. Diese Sprache haben unsere Gremien in ihrer Mehrheit nicht gefunden. Ich sage aber genauso deutlich: Auch die Kommunen und Landkreise müssen den wichtigen Aufgaben der Region in einer offeneren Weise begegnen.

Wenn wir heute unseren Stempel auf den neuen Regionalplan drücken, dann sollte er eine der zentralen Grundlagen für einen noch konstruktiveren Dialog mit der kommunalen Ebene – aber auch mit der Wirtschaft, die uns eine Reihe offener Wünsche signalisiert hat – darstellen.
Deshalb hätten wir Freie Wähler uns ein Planwerk gewünscht, das – ohne in Beliebigkeit zu verfallen – mehr Vertrauen in diese Partner gesetzt hätte. Dort sind die Zeichen der Zeit und die durchgreifenden Veränderungen in der Zukunft genauso erkannt worden. Alle Lebenserfahrung spricht dafür, dass Reglementierung oder gar Zwang weniger bewirken als Überzeugungsarbeit.

Dazu einige uns wichtige Themenfelder des Regionalplans:

Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung
Wir halten die Einschätzungen des Pestelgutachtens für wahrscheinlich – die Zeiten des Bevölkerungswachstums und der Dynamik in der gewerblichen Entwicklung liegen hinter uns. Aber wir dürfen uns dem nicht resignierend ergeben, sondern aller Kraft darauf setzen, die herausragenden Chancen unserer Region zu nutzen. Dazu müssen wir die Städte und Gemeinden sowie die Wirtschaft ins Boot holen. Akteure gewinnen und nicht behindern, das sollte die Devise sein. Was macht es für einen Sinn, den Gemeinden enge Fesseln anzulegen, wenn angeblich gar kein Zuwachs mehr stattfindet? Wir machen den Fehler, zu sehr auf Einwohnerzahlen zu schauen, wir brauchen unabhängig davon zusätzlichen Wohnraum. Schon heute fehlen viele Tausend bezahlbare Wohnungen in der Region – wir drängen immer mehr Familien mit geringem Einkommen aus dem Markt. Ihre Politik verknappt und verteuert Bauland und behindert den ohnehin schwächelnden Wohnungsbau. Es sollte uns zu denken geben, dass alle benachbarten Regionen und auch das zuständige Ministerium einen deutlich offensiveren Weg beschreiten. Unsere Region wird in diesem Wettbewerb zurückfallen.

Flächenverbrauch
Die Reduzierung des Flächenverbrauchs ist zum beherrschenden politischen Thema geworden. Fläche wird nicht dadurch in Anspruch genommen, dass Kommunen verantwortungsbewusst planerisch Vorsorge treffen. Erst wenn tatsächlich gebaut wird, findet eine gewisse Versiegelung statt. Wer aber glaubt ernstlich daran, dass eine junge Familie, die bauen will, oder ein Betrieb, der expandieren möchte, darauf verzichtet, nur weil wir den Flächenverbrauch anklagen?

Wir sollten den Wohnungsbau und die gewerbliche Entwicklung in unserer Region mit allen verfügbaren Mitteln ankurbeln – nur so sichern wir die Infrastruktur in unseren Gemeinden, reduzieren Verkehrsströme, weil hier die Arbeitsplätze sind und gewinnen Fachkräfte, die unsere Wirtschaft nach wie vor dringend braucht.

Es ist bewiesen, dass jede Baumaßnahme in den angrenzenden Regionen deutlich mehr Fläche in Anspruch nimmt als bei uns. Wenn wir die Natur nicht nur in den Grenzen unserer Region wahrnehmen, ist das Abdrängen von Bauwilligen in Nachbarregionen eine Förderung des Flächenverbrauchs. Ihre Restriktionen bewirken letztlich das Gegenteil von dem, was Sie verkünden.

Änderungsanträge der Fraktion Freie Wähler
Wir haben Ihnen Änderungsanträge vorgelegt, von denen wir überzeugt sind, dass sie mehr Gemeinsamkeit herstellen würden, ohne die im Grundsatz nachvollziehbaren Ziele unserer Regionalplanung aufzugeben.

  • Wir wollen mehr Gestaltungsfreiraum für die Städte und Gemeinden. Diese werden ihn verantwortungsbewusst und nachfragegerecht wahrnehmen. Wenn wir alle über einen Kamm scheren, werden wir selbst unser bescheidenes Entwicklungsziel nicht erreichen. Es wird Kommunen geben, die ihr Potenzial nicht nutzen, das kommt den anderen aber nicht zugute. Wir beantragen daher einen Orientierungswert für die Eigenentwicklung von 0,3 % pro Jahr (statt 0,2 %) und damit im Siedlungsbereich 0,4 % (statt 0,3 %). Beispielrechnung!
  • Die von den Fraktionen CDU, SPD und FDP zunächst verkündete Lockerung ist eine reine textliche Änderung ohne jede Substanz – alles bleibt beim Alten. Sie geben nur scheinbar dem Druck nach, den wir Freien Wähler und ein Großteil der Gemeinden seit langem in dieser Frage machen. Und wenn jetzt auch noch in letzter Sekunde der vorliegende Antrag der Grünen beschlossen wird, dann muss sich die kommunale Ebene noch mehr brüskiert fühlen.
  • Statt Lockerung tun Sie das Gegenteil: Die wirklichkeitsfremde Anrechnung von Baulücken – hier soll ein Orientierungswert von 50 % in die Begründung – und die Erhöhung der Bruttowohndichte um 10 % für Gemeinden mit Eigenentwicklung ist eine erhebliche Verschlechterung. Wenn Sie das so wollen, ist das Ihre Sache, aber bitte sagen Sie den Gemeinden dann auch die Wahrheit. Auch wenn es eine harte Formulierung ist – das Ganze ist eine reine Mogelpackung.

Die Gemeinden mit Eigenentwicklung, die künftig ohnehin um ihre Grundversorgung kämpfen müssen, würden bei Ihren Vorstellungen praktisch lahm gelegt. Die bisherige Praxis, dass die Gemeinden anhand eines Baulückenkatasters nachweisen müssen, welche Verfügbarkeit anzunehmen ist, war in Ordnung und sicherte das auch uns wichtige Ziel der Innenentwicklung. 50 % Anrechnung sind gerade in kleineren Gemeinden lebensfremd.

Dasselbe gilt für einen Dichtewert von 55 EW/ha. Eigenentwicklung, das sind doch vor allem die Bauwilligen aus der Gemeinde selbst – junge Familien, die an ihrem Heimatort bleiben wollen. Die möchten ein Doppelhaus, ein größeres Reihenhaus, oder auch ein freistehendes Haus auf einem bezahlbaren Grundstück. Bei dem heutigen Nettobaulandanteil von oft nur 65 % ist ein Dichtewert von 55 EW unrealistisch. Lassen Sie die Finger davon – die Gemeinden und damit auch die Region – können nur verlieren. Flächen sparen Sie keine – das habe ich ausgeführt.

Deshalb stellen wir anschließend den Ihnen vorliegenden Antrag zur Abstimmung. Wenn er abgelehnt wird, bekommen Sie von unserer Fraktion keine Stimme für das Kapitel 2.4 – Siedlungsentwicklung. Unter der Voraussetzung, dass nicht heute noch im Schnellschussverfahren ohne jede Beteiligung der Kommunen weitere Restriktionen eingebaut werden, würden wir den Regionalplan als Ganzes mit Mehrheit dennoch mittragen. Weniger aus der Überzeugung, dass damit die Weichen richtig gestellt werden, sondern in der Einschätzung, dass der Plan auch viele gute Inhalte hat. Diese verstehen wir als Basis für die von uns eingangs geforderte Weiterentwicklung der Partnerschaft mit den Kommunen und der Wirtschaft.

Lassen Sie mich eine Lebensweisheit an den Schluss setzen, die zum heutigen Thema und zu unseren Zukunftserwartungen passt:

„Nur Pessimisten schmieden das Eisen, so lange es heiß ist, Optimisten vertrauen darauf, dass es nicht erkaltet.“

Geben wir doch diesem Regionalplan noch eine gehörige Portion Zuversicht für die Zukunft. Das wäre ein positives Signal für unsere Gemeinden, ihre Bürgerinnen und Bürger und unsere Wirtschaft. Wir brauchen sie alle, um in unserer Region Stuttgart wieder in die Erfolgsspur zurückzukehren. Nur diese gewährleistet uns die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze, Bildung, Kultur, Mobilität, Umweltschutz und Freizeitgestaltung.

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