Redebeitrag der Fraktion Freie Wähler in der Region zur Verabschiedung des Haushalts 2010 am 2. Dezember 2010

Alfred Bachofer, stellv. Fraktionsvorsitzender

Der Verbandshaushalt 2010 ist in schwieriger Zeit ein wichtiger und stabilisierender Faktor im öffentlichen und im Wirtschaftsgeschehen in der Region Stuttgart. Er setzt kontinuierlich auf den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, stärkt die Wirtschaftsförderung, schafft die Basis für die Erarbeitung des neuen Regionalverkehrsplans und baut in Partnerschaft mit den Kommunen weiter am Landschaftspark.

Stuttgart 21
Ein klares Signal geht mit der ersten Finanzierungsrate in Richtung des landesweit bedeutsamen Schienenprojekts Stuttgart 21, von dem wir erwarten, dass der angekündigte Baubeginn ebenso Wirklichkeit wird wie die Einhaltung des Kostenrahmens. Hätten alle Projektpartner eine so konsequente Linie und transparente Informationsarbeit gefahren wie der VRS, gäbe es weit weniger Unsicherheit in der öffentlichen Meinung.

Schwerpunkt ÖPNV
Wenig erfreulich ist die Tatsache, dass unsere Anstrengungen zum Ausbau des in unserem Ballungsraum unverzichtbaren S-Bahn-Netzes seitens des Landes nicht die notwendige finanzielle Unterstützung finden. Wir haben uns auf eine Vorfinanzierung der Landesmittel in einer Größenordnung von 53 Mio. € eingelassen, ohne zu wissen, wann das Land diese Verpflichtung einlösen kann und will. Nüchtern betrachtet wird dadurch der wirtschaftliche Wert der Förderung zumindest halbiert. Geld das uns fehlt, genau genommen den Gemeinden, die diese Lücke schließen müssen. Geld, das gegenwärtig dringend benötigt wird für Investitionen die die Konjunktur stützen, für Kinderbetreuung, Bildung und Umweltschutzmaßnahmen.

Der Haushalt 2010 ist ein klares Bekenntnis zu unserer zentralen Aufgabe „S-Bahn“. Wir schaffen jetzt den Vorlaufbetrieb der S 60, die S 1 nach Kirchheim startet in den nächsten Tagen und es wird eine Reihe von Verbesserungen im Betrieb von S-Bahn und Nachtbus angepackt.

Das jüngst beschlossene Langzeitkonzept zum Ausbau und zur qualitativen Stärkung der S-Bahn ist kein Papier für die Schublade, sondern notwendige Orientierungslinie. Klar im Vordergrund steht für uns der Anschluss des Landkreises Göppingen an das Verbundnetz und letztlich auch die Vollintegration in den VVS. Das Steuer haben aber jetzt die Göppinger selbst in der Hand. Der Wunsch des Landkreises Calw nach einer S-Bahn-Verbindung nach Nagold setzt dessen Bereitschaft voraus, Bau und Betrieb allein zu stemmen. Keinesfalls darf es in unserem Raum zu einer Angebotsverschlechterung kommen, ebenso wenig dürfen wir in der Priorität der Landesförderung nach hinten rutschen.

Landschaftspark
Der Ausbau des Landschaftsparks, eine Mehrgenerationenaufgabe, kommt mit kleinen Bausteinen voran. Die Kommunen bezahlen die regionale Komplementärfinanzierung, sodass es sich letztlich um eine Mittelumverteilung handelt. Die Anreizwirkung ist zweifelsfrei gegeben – die Gewinner sind die Landschaft und die Menschen in unserer Region. Deshalb stehen wir Freien Wähler zu diesem Programm, sofern es die gegenwärtige Dimension nicht verlässt. Weil unsere finanziellen Ressourcen begrenzt sind, ist es für den weiteren Ausbau des Landschaftspark wesentlich, inwieweit es gelingt, die Einwerbung von Drittmitteln zu verstärken. Eine solche Chance bietet die vom Verband begleitete Bewerbung der Remstalkommunen um die Ausrichtung einer Landesgartenschau. Dieser innovative Ansatz einer regionalen Kooperation verdient die Anerkennung seitens des Landes.

Regionalverkehrsplan
Nach der Verabschiedung des Regionalplans steht uns mit dem neuen Regionalverkehrsplan der nächste Kraftakt ins Haus. Auch wenn seine unmittelbare Wirkung etwas eingeschränkt ist, da wir bei den Straßenbauprojekten weitgehend von den Baulastträgern Bund und Land abhängen, ist seine Bedeutung für die politische Meinungsbildung nicht zu unterschätzen. Wichtig ist die laufende Untersuchung des Mobilitätsgeschehens in unserer Region. Das Ergebnis bringt uns eine wichtige Hilfestellung bei der Entwicklung einer Konzeption für alle Verkehrsarten bis hin zu einer regionalen Verkehrssteuerung. Ein solches integriertes Denken muss die in der Vergangenheit übliche isolierte Betrachtung einzelner Verkehrsangebote ablösen.

Bei Kultur und Sport geht es im Verbandshaushalt nicht um die großen Summen. Dennoch ist es wichtig, dass der Verband kulturelle und sportliche Veranstaltungen mit regionaler und überregionaler Bedeutung initiiert. Die von uns finanzierte hauptamtliche Geschäftsstelle der SportRegion Stuttgart betreibt eine recht fleißige Informationsarbeit, muss aber aus unserer Sicht ihre Bewährungsprobe bei der Akquise von Veranstaltungen von überregionaler Bedeutung noch bestehen.

Wirtschaftsförderung
Neben dem ÖPNV und der Regionalplanung mit Landschaftspark ist die Wirtschaftsförderung mit einem Gesamtaufwand von 8,5 Mio. € die dritte wichtige Säule der Verbandsarbeit. Deren Notwendigkeit ist – unabhängig von der Konjunkturlage – unbestritten. Die WRS leistet ein umfangreiches Pensum – die Schwierigkeit besteht in der direkten Messbarkeit des Erfolgs. Mit 5,6 Mio. € Zuschuss haben wir eine Aufstockung um 100 000 € vorgenommen, eher eine Art Inflationsausgleich. Für unsere mittelfristige Planung wäre es wichtig zu wissen, wo die WRS künftig ihre Schwerpunkte setzen will und welcher Mittelbedarf daraus resultiert.

Wir brauchen einen Beitrag des VRS zur Entlastung der Kommunen!
Ich habe eingangs die Bedeutung der Verbandsarbeit für das öffentliche und Wirtschaftsgeschehen beschrieben. Es sollte uns aber stets bewusst sein, dass das Fundament des Verbands die Landkreise, Städte und Gemeinden sind. Sie tragen alle Lasten, soweit nicht spezielle Einnahmen, wie z.B. Fahrgeldeinnahmen, vorhanden sind. Die Summe der Umlagen, die letztlich – auch via Kreisumlage – bei den Gemeinden landet, beläuft sich auf rd. 90 Mio. € oder fast 34 € je Einwohner. Esslingen als zweitgrößte Stadt der Region ist da mit ca. 3,1 Mio. € dabei. Wir müssen also ein vitales Interesse daran haben, dass dieses kommunale Fundament der Region standfest bleibt.

Vor diesem Hintergrund haben wir Freie Wähler mehrere Anträge gestellt, um den Kommunen über die Durststrecke 2010 und 2011 hinweg zu helfen. Nach diesem Zeitraum hoffen wir ja alle auf die Wirkung der Berliner Konjunkturbeschlüsse. Mit einer kleinen Ausnahme tangieren diese Anträge, die wie befürchtet, allesamt abgelehnt wurden, die Verbandsarbeit nicht. Unser Ziel war es, kommunales Geld, das als Rücklagen in einer Größenordnung von 38 Mio. € beim Verband „geparkt“ ist, teilweise zur Umlagesenkung zu verwenden. Rd. 15 Mio. € hätten flüssig gemacht werden können. Für eine Stadt wie Ludwigsburg immerhin ein Betrag von ca. 500000 €. Liebe Kollegen in der Runde, wir können nicht verstehen, weshalb dafür so wenig Bereitschaft vorhanden ist.

15 Mio. €, die vor Ort für konjunkturwirksame Investitionen oder andere wichtige Aufgaben eingesetzt werden könnten. Beim Verband dienen sie nur zur teilweisen Abdeckung der S-Bahn-Landesförderung und zur Kassenverstärkung, ersparen also bestenfalls Kreditzinsen. Die Wirtschaft würde dies als „totes Kapital“ bezeichnen.

Eine Stilfrage ist die Art und Weise, wie mit unserem Antrag auf globale Minderausgabe in Höhe von 500 000 € umgegangen wurde. Wir wollten die Verwaltung auffordern, partnerschaftlich Vorschläge für Einsparungen zu unterbreiten. Sie kennt am besten das Arbeitsprogramm und die Prioritäten. Mit gutem Willen wäre das möglich gewesen. Man muss einen solchen Antrag nicht akzeptieren, aber der Ton macht die Musik.

Der Blick muss sich nach vorne richten
Wir sind realistisch genug, davon auszugehen, dass unsere Anträge, die wir nach wie vor für absolut berechtigt halten, auch heute keine Mehrheit finden würden. Deshalb wiederholen wir sie für den Haushalt 2010 nicht. Allerdings sagen wir ganz deutlich, dass wir das Argument, die Landkreise und Gemeinden hätten sich auf die Umlagenhöhe eingestellt, nicht akzeptieren. Dort wird nach wie vor um Kleinstbeträge gerungen und stehen Steuer- und Gebührenerhöhungen ins Haus, die die Bemühungen der Bundesregierung, die Bürger und die Wirtschaft zu entlasten, weitgehend zunichte machen.

Da das augenblickliche Finanzdesaster auch noch 2011 anhalten wird, beantragen wir für das Haushaltsjahr 2011 ein anderes Verfahren zur Aufstellung des Etats. Es muss doch das Interesse aller Fraktionen sein, nicht erst bei der Einbringung des Haushalts im Oktober dessen Eckpunkte zu kennen. Für eine Steuerung ist es da zu spät. Deshalb möchten wir erreichen, dass schon vor der Sommerpause eine Vorberatung im WIV über die Eckpunkte des Etats stattfindet. Zu diesem Zeitpunkt ist auch das vorläufige Jahresergebnis 2009 bekannt. Ich bin sicher, dass hier im Gremium beim Einstieg in die Haushaltsberatungen nicht bekannt war, dass wir aus 2008 einen Überschuss mit rd. 5 Mio. € bzw. einen entsprechend höheren Rücklagenbestand haben.

Daher sollte künftig regelmäßig im Juli das vorläufige Ergebnis des Vorjahres vorgelegt und ein Zwischenbericht über das laufende Jahr gegeben werden. Richtig wäre es auch, zu diesem Zeitpunkt eine Einschätzung des Finanzbedarfs der von uns gestützten Gesellschaften zu erhalten. Benötigt wird weiter ein Entwurf des Arbeitsprogramms für das kommende Jahr mit seinen finanziellen Auswirkungen.

Mit solchen Informationen wäre die Regionalversammlung in der Lage, frühzeitig Ziele für die Haushaltsplanung vorzugeben. Dieses demokratische Verfahren hat sich in der kommunalen Praxis bestens bewährt.

Wir möchten Sie bitten, dem Ihnen vorliegenden Antrag zuzustimmen. Damit wird nichts präjudiziert, denn es bleibt den Ausschüssen und der Vollversammlung unbenommen, inhaltlich frei über die Vorstellungen der Verwaltung und evtl. Anträgen der Fraktionen zu entscheiden.

Man hat uns Freien Wählern die Bezeichnung „Sparkommissare“ verliehen. Wir nehmen das als Prädikat und in der Öffentlichkeit wird dies auch dankbar wahrgenommen. Es wäre aber zu kurz gesprungen, dies mit mangelnder Unterstützung der Verbandsarbeit gleichzusetzen. Wir haben sehr wohl eine regionale Sicht der Dinge, verlieren dabei aber diejenigen nicht aus den Augen, die vor leeren Kassen und einem riesigen Aufgabenberg stehen. Verband, Landkreise und Gemeinden verwalten das gleiche Geld – Geld unserer Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft. Dies erfordert eine Gesamtschau der Dinge über alle Ebenen und gegenseitige Solidarität. Suchen wir doch verstärkt die Partnerschaft mit den Landkreisen und Städten– und zwar nicht nur beim Geld. Dies muss aber auch umgekehrt gelten.

Zum Schluss noch eine wenig beachtete Lebenserfahrung:
Mit dem Sparen muss man anfangen, solange man noch Geld hat. Wenn man tief in den roten Zahlen steckt, ist es zu spät.

Ansprechpartner: Alfred Bachofer

Termine

Freie Wähler in der Region Stuttgart