Redebeitrag in der Regionalversammlung am 21. September 2011 Alfred Bachofer, Sprecher im Planungsausschuss

Regionalplanerische Steuerung der Windenergienutzung

Die Entscheidung der Bundesregierung, aus der Atomkraft auszusteigen, war mutig und vor dem Hintergrund der Ereignisse in Fukushima auch notwendig und glaubwürdig. Wir Freien Wähler halten dieses Ziel langfristig für richtig. Eine schwer zu meisternde Herausforderung ist allerdings der Zeitplan. Deutschland muss jetzt zeigen, dass es technologisch und auch organisatorisch in der Lage ist, in kurzer Zeit auf dem Gebiet erneuerbarer Energien eine Führungsrolle in Europa und darüber hinaus zu übernehmen.

Allerdings müssen Politik und Energiekonzerne den Menschen und der Wirtschaft klar sagen, welche Konsequenzen diese Neuorientierung finanziell und für die Versorgungssicherheit hat. Solange die mit uns im Wettbewerb stehenden Länder, wie z.B. Frankreich, nicht mitziehen, werden die höheren Kosten der Energieerzeugung unsere Wirtschaftskraft verschlechtern. Die Lösung darf auch nicht darin bestehen, dass wir auf lange Zeit Atomstrom aus Nachbarländern kaufen und damit den Betrieb dieser Kraftwerke, die weiterhin ein Sicherheitsrisiko darstellen, noch verfestigen.

Die veränderte Situation hat viel Skepsis und enorme Verluste bei den Konzernen ausgelöst. Den kommunalen Stadtwerken und kleinen Privatanbietern eröffnet sich dagegen die Chance, mit einem dezentralen Versorgungskonzept vor Ort zu punkten. Dies alles wird einen schmerzhaften Preis haben. Wir erhalten als Gegenleistung mehr Unabhängigkeit von Öl und Gas, von den Monopolisten und vermeiden Lasten für künftige Generationen. Umwelttechnologie wird auch verstärkt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sein.

Der jetzt notwendige breite Konsens verträgt kein Kompetenzgerangel nach der Devise „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“. Die Regionalverbände, an der Spitze der Verband Region Stuttgart, kritisieren ein Gesetz, dessen Wortlaut sie noch gar nicht genau kennen. Bis zur Regionalversammlung im Oktober wäre Zeit genug gewesen, sich mit den dann hoffentlich zu Ende gedachten Vorstellungen der Landesregierung auseinander zu setzen. Dass die neue Regierung Gesetzgebungsverfahren noch üben muss, zeigt nicht nur dieses Beispiel.

Vorab ist festzustellen, dass der Verband Region Stuttgart schon bisher seine Möglichkeiten ausgeschöpft hat, die Errichtung von Windkraftanlagen zu ermöglichen. Das Regulativ der Wirtschaftlichkeit für Investoren konnte, trotz Subvention über den Strompreis, nicht außer Kraft gesetzt werden. Das Ergebnis in der Region ist bisher mager. Deshalb müssen jetzt alle vermeidbaren Hürden abgebaut werden. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass wir hier zwar viel Wind machen, aber keinen erzeugen können. Und es gibt Grenzen durch die notwendige Rücksicht auf die Menschen und den Landschaftsschutz.

Das 10-Punkte-Papier der Landesregierung erzeugt noch keine Klarheit. Schon deswegen müssen wir auf die Anhörung zum Gesetzentwurf warten.

Wir Freien Wähler sehen folgende Punkte als wichtig an:
Unverzichtbar ist eine angemessene Übergangsfrist, damit alle Beteiligten Zeit zum Nachdenken und für die erforderlichen Planungsprozesse haben. Mindestens 24 Monate, der normalen Laufzeit eines Flächennutzungsplanverfahrens, sind dafür erforderlich. Wir wollen Qualität in der Planung, den Bürger beteiligen und nicht überfahren.

Die verantwortliche Einbindung der Städte und Gemeinden auf der Ebene der Flächennutzungs- und Bebauungsplanung ist richtig. Dort ist die umfassende Ortskenntnis ebenso angesiedelt wie die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern. Da die künftige Windkraftplanung sehr viel detaillierter und ortsbezogener erfolgen muss, wäre eine Reduzierung auf eine reine Anhörung der Kommunen ein unzulässiger Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit. Wir erwarten von der neuen Regierung, dass sie den Kommunen vertraut und auf wirkliche Bürgernähe setzt.
Die Regionalverbände sollen auch künftig die großräumigen Vorranggebiete neuer Prägung ausweisen. Unser Verband besitzt dafür, neben dem aktualisierten Windatlas, die notwendigen Planungsgrundlagen und die Erfahrung dazu. Wenn die Verwaltung die vorgesehene Kompetenzverteilung kritisch sieht, so verdrängt sie, dass es das Wesen der Regionalplanung ist, nur den Rahmen zu setzen. Die Kommunen gestalten ihn eigenverantwortlich aus.

Das Steuerungselement des § 35 BauGB muss sachgerecht beibehalten werden.
Windkraft ist wichtig, aber eben nur ein Standbein. Landesweit und hinunter bis auf die örtliche Ebene brauchen wir Gesamtkonzepte zur Nutzung der verschiedenen erneuerbaren Energiearten.

Auch innerhalb der regionalplanerischen Vorranggebiete müssen die Kommunen die Möglichkeit haben, örtliche Besonderheiten durch Positivfestsetzungen zu berücksichtigen. Außerhalb der Vorranggebiete kann durch solche Festsetzungen in angemessenen Umfang Ausschlusswirkung erzielt und durch Bündelung unkontrollierter Wildwuchs vermieden werden. Dies gilt durch das Abstimmungsgebot auch gemeindeübergreifend.

Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema „Windkraft“ wird nur in einer überschaubaren Zahl von Kommunen in der Region notwendig sein. Deshalb kann nicht von einem gewaltigen Aufwand gesprochen werden.

Regionale Kompetenzzentren zur Unterstützung der Kommunen müssen sinnvoll abgegrenzt und fachlich gut besetzt sein. Wenn das Land die dafür notwendigen Mittel bereitstellt, könnte der Verband dies für sein Gebiet leisten.

Unser Verband gibt sich viel Mühe bei der Bürgerbeteiligung in der Regionalplanung. Er erreicht aber die Menschen viel zu wenig. Deshalb muss eine umfassende Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene stattfinden.

Vereinzelt werden Bedenken dahingehend geäußert, dass bei gemeindlicher Planungsverantwortung Vorhaben verzögert oder blockiert werden, weil die Gemeinderäte dem Druck von Bürgerinitiativen ausgesetzt sind. Dabei wird außer Acht gelassen, dass jede konkrete Baumaßnahme für ein Windrad vor Ort unabhängig von der Rechtslage zu Auseinandersetzungen führen wird.

Dies ist aber keineswegs kontraproduktiv. Wir brauchen auch auf kommunaler Ebene einen Bewusstseinswandel. Es reicht eben nicht, sich an der Wahlurne für den Atomausstieg zu erklären und dann, wenn eigene Belange berührt sind, unverzichtbare Substitutionen abzulehnen. Die Städte und Gemeinden müssen die Menschen mitnehmen, sie davon überzeugen, dass wir in punkto Energie in ein neues Zeitalter gehen und dass wir alle unseren Beitrag bringen müssen. Die auch bei den Grünen kontrovers geführten Debatten über Pumpspeicherseen lassen grüßen.

Klar ist aber auch, dass diese Energiewende hohe Kosten verursachen wird, besonders bei der Beseitigung der atomaren Altlasten, dem Abbau von 17 noch stehenden Kraftwerken und den Leitungstrassen. Nicht zuletzt werden auch die Aufwendungen für Energieeinsparung für kleine Einkommen zu einer erheblichen Belastung. Zur Vermeidung sozialer Verwerfungen müssen Wege gefunden werden, damit die Strompreise nicht in unvertretbare Höhen steigen. Hier ist auch der Bund gefordert, denn die Energiekonzerne werden sich nicht von selbst zum Gutmenschentum bekennen.

Der Verband sollte das Gespräch mit den Kommunen suchen. Hören wir uns an, was die Städte und Gemeinden und ihre Spitzenverbände zu sagen haben und setzen wir auf Kooperation. Für uns Freie Wähler ist klar, dass der Erfolg der Energiewende mit davon abhängt, wie auf allen Ebenen der Politik die Menschen und die Wirtschaft in den Prozess eingebunden werden.

Die Städte und Gemeinden werden Ihren Beitrag dazu leisten, entsprechend ihrem verfassungsmäßigen Auftrag zur Daseinsvorsorge.

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