Stellungnahme der Regionalfraktion der Freien Wähler in der Regionalversammlung am 21. September 2011 zum Kombibahnhof

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Bopp,
sehr geehrte Frau Regionaldirektorin Wopperer,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir Freien Wähler bekräftigen die Haltung, die im Schreiben zum Ausdruck kommt, das von Herrn Vorsitzendem Bopp und Frau Regionaldirektorin Wopperer unterschrieben und an Herrn Ministerpräsident Kretschmann gerichtet wurde, und die darin gemachten Aussagen.

Es war korrekt, fristgerecht dem Ministerpräsidenten auf seine Anfrage zu antworten. Die Ablehnung des Kombibahnhofs ist durch Beschlüsse der Regionalversammlung gedeckt.

Die Kombilösung, nun SK 2.2-Lösung genannt, – ist das überhaupt eine Lösung? – wurde in einer sachgerecht vorgenommenen Abwägung abgelehnt.

Sie war eine der vielen geprüften Alternativen zu Stuttgart 21, die im Planfeststellungsverfahren verworfen wurden.

Im Grunde genommen könnte man sagen, die Ablehnung des Kombibahnhofs war ein Geschäft der laufenden Verwaltung, weil keine neuen sachlichen Argumente seit der Ablehnung der Kombilösung und der Entscheidung für Stuttgart 21 und heute entstanden sind.

Machen wir uns doch nichts vor, die Kombilösung kann doch nicht ernsthaft eine Kompromisslösung sein, die zwischen S 21 und Kopfbahnhof vermittelt. Die Kombilösung greift in den Untergrund und das Grundwasser ein, sie braucht Tunnel, zugegebenermaßen kürzere als S 21, aber sie hat vor allem entscheidende Nachteile, weil durch sie zwar der Fernverkehr verbessert wird, aber der öffentliche Personennahverkehr im wahrsten Sinne des Wortes auf der – alten – Strecke bleibt.

Aber die ÖPNV-Verbesserung, die mit Stuttgart 21 einhergeht, ist für uns Kommunen, die Menschen und für die Unternehmen in der Region von herausragender Bedeutung.

Eine Schlüsselaufgabe der Zukunft wird es sein, Mobilität auf der Schiene zuverlässig, pünktlich, mit hoher Qualität und bezahlbar abzuwickeln, wenn wir wollen, dass es zu weniger Individualverkehr auf den Straßen kommt.

Für uns Freie Wähler ist die Sicherstellung der europäischen Magistrale wichtig, um die Region Stuttgart nicht in den Verkehrsschatten im europäischen Schienennetz zu bringen. Aber genau so wichtig und auf die örtliche Ebene bezogen noch wichtiger ist die Verbesserung des regionalen öffentlichen Personennahverkehrs.

Dazu zählen für uns die weitere Haltestelle Mittnachtstraße und vor allem die Durchbindung von Zügen, die heute im Kopfbahnhof enden und bei der Kombilösung weiterhin dort enden würden, faktisch in der Sackgasse stecken bleiben.

Und hier muss auf die Mitfinanzierung des Verbands Region Stuttgart und damit der 179 Kommunen in der Region eingegangen werden: Wir haben in der Regionalversammlung stets die Mitfinanzierung regionalbedeutsamer Infrastruktur mitgetragen, weil diese auch den Kommunen und den Menschen in der Region direkt zugute kommt. Denken Sie nur an die neue Messe.

Auch die zugesagten 100 Millionen Euro für S 21 werden von uns deswegen mitgetragen und wir halten es für gut angelegtes Geld, weil es durch S 21 zu einer Verbesserung des Nahverkehrs in der Region kommt. Wir haben einen regionalen Vorteil.

Für die Kombilösung sehen wir Freien Wähler den Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Mitfinanzierung des Verbands Region Stuttgart, weil die Kommunen mit der Kombilösung leer ausgehen. Zahlreiche Maßnahmen, die mit S 21 möglich wären, werden durch die Kombilösung ausgeschlossen.

Für uns ist die Kombilösung kopflos ohne Not aus dem Zylinder hervorgezaubert worden. Über die Gründe, warum Heiner Geißler dies tat, kann man spekulieren oder eines seiner vielen Interviews lesen. Ob man dabei wirklich das erfährt, was ihn bewogen hat, lassen wir dahingestellt sein.

Wir nehmen es ihm ab, dass es ihm daran gelegen war, mit seinem Hals über Kopf gemachten Vorschlag zu Frieden beizutragen, um zu einem Ausgleich zu kommen. Das war ihm bei vielen früheren Tarifverhandlungen und Schlichtungen auch gelungen. Und wir zollen ihm dafür nach wie vor Respekt.

Die Entscheidung auf sachlicher und politischer Basis für Stuttgart 21 und gegen den Kopfbahnhof unterscheidet sich aber von Tarifverhandlungen.

Weil man sich eben nicht in der Mitte treffen kann, sondern nur das eine oder das andere haben kann. Es ist wie im richtigen Leben: Ein bisschen schwanger gibt es eben nicht.

So ist das auch mit S 21. Ein bisschen unter der Erde und ein bisschen oberhalb ist zwar machbar, aber es kommt nichts Gescheites dabei heraus. Warum sollen wir ernsthaft den Menschen in Stuttgart und in der gesamten Region eine genau so lange Umbauphase und damit Belastungen im Schienenverkehr zumuten, wenn wir am Ende doch keine optimale Verkehrsverbesserung haben?

Ganz abgesehen davon hätten wir jahrelang einen totalen Stillstand, bis SK 2.2 gebaut werden könnte, der unseren Wirtschaftsstandort weit zurückwerfen würde.

So manch anderer Kompromiss wurde damit gerechtfertigt, dass alle mit ihm unzufrieden sind. Das würde auf die Kombilösung auch zutreffen. Aber für eine allgemeine Unzufriedenheit zwischen 3 und 5 Milliarden Euro auszugeben, das ist es nicht wert. Der Konflikt zwischen Stuttgart 21 und dem Kopfbahnhof kann nicht durch einen faulen Kompromiss zu einem Frieden führen.

Wer für den Kopfbahnhof und gegen S 21 ist und sich die Argumente Städtebau, Grundwasserschutz und Schutz des Schlossgartens zu Eigen macht, kann auch nicht für die Kombilösung gewonnen werden. Wir Freien Wähler zweifeln daran, ob die S 21-Gegner sich überhaupt auf eine Kombilösung, selbst wenn sie sinnvoll gewesen wäre, einlassen würden. Wenn, dann doch als nur als taktisches Verhinderungsmanöver.

Lassen Sie mich nochmals zu den Baukosten kommen. Wir Freien Wähler, haben bisher den Aussagen der jeder Landesregierung einen gewissen Glauben geschenkt und sind zumindest in früheren Zeiten damit ganz gut gefahren.

Es war für uns jetzt nicht ganz einfach, die wirkliche Meinung der neuen Landesregierung zur Bewertung der Kombilösung herauszulesen.

Die Bewertung der Landesregierung vom 26. August 2011, mussten wir auch nach eingehender Exegese für untauglich befinden.

Auch wenn wir in Baden-Württemberg eine Koalition haben, die durch Stuttgart 21 unter einer besonderen Belastungsprobe steht, kann es doch nicht wahr sein, dass eine Landesregierung zu verschiedenen Aussagen kommt. Die Kosten und die Leistungsfähigkeit werden unterschiedlich eingeschätzt und auch so nach außen vertreten.

Womöglich müssten wir im Volksentscheid noch fragen, ob die Menschen lieber einen Kombibahnhof nach Grüner Mutmaßung oder einen Kombibahnhof nach Einschätzung der SPD wollen.

Die Menschen im Land erwarten, und das gilt für alle, ganz gleich, ob sie die neue Landesregierung gewählt haben oder nicht, dass mit einer Stimme gesprochen wird. Es ist die Pflicht von Regierungspartnern, sich abzustimmen, intern zu einer Meinung zu kommen und diese dann nach außen mit einer Stimme zu vertreten. Ansonsten wird man doch nicht ernst genommen, auch nicht auf anderen Politikfeldern. Und das schadet dann ganz Baden-Württemberg.

In einem Punkt ist die Bewertung der Landesregierung allerdings völlig richtig: Die Kombilösung kann nur dann weiterverfolgt werden, wenn sie von allen Beteiligten gewollt wäre. Heute haben wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Chance, dieses Gespenst, das bestenfalls als Finte von S 21-Gegnern taugt, zu vertreiben.

Kurzum, wir lehnen den Kombibahnhof ab und werden alles dafür tun, dass der Volksentscheid zu einem klaren Votum für S 21 führt. Deshalb muss auch der Verband Region Stuttgart klar Position beziehen. Wir müssen den Menschen sagen, was Sache ist und ihnen vor Augen führen, welche Steuerverschwendung mit einem rechtlich fragwürdigen Ausstiegsgesetz verbunden wäre.

Daher der von uns initiierte und gemeinsam mit CDU und FDP gestellte Antrag, der im Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur und Verkehr am 4. Oktober 2011 beraten und hoffentlich beschlossen wird, dass der Verband eine Informationsaktion im Regionalgebiet durchführt, um eine sachliche und umfassende Öffentlichkeitsarbeit des Verbands auf den Weg zu bringen.

Nach dem Volksentscheid müssen alle die demokratischen Spielregeln anerkennen, damit wir uns auch wieder um die anderen, genau so wichtigen Themen in der Region kümmern können.

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