Rede zum Haushalt 2012 für die Fraktion der Freien Wähler im Verband Region Stuttgart in der Regionalversammlung am Mittwoch, 12. Oktober 2011

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Bopp,
Frau Regionaldirektorin Wopperer,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Regionalhaushalt wurde von Ihnen, Frau Wopperer, unter das Motto, ich zitiere, „Die Region bewegen!“ gestellt.

Ein Motto, das wir Freien Wähler rundum mittragen. Das gilt aber nur für das Motto. Für den Haushalt nicht.

Wir haben einige Bemerkungen und Anträge zu Haushaltsansätzen, die aus unserer Sicht zu hinterfragen und zu ändern sind. Und dies deshalb, weil wir mit dem uns über eine Umlage zufließenden Geld im Sinne eines Treuhänders besonders sorgsam umgehen müssen.

Dabei wollen wir das Ziel des vergangenen Jahres auch in diesem Jahr fest im Auge behalten und auf eine Stabilität der Umlage größten Wert legen.

Allerdings ist es zu kurz gesprungen, wenn Sie, Frau Wopperer, sich nur mit den Landräten gut stellen wollen und auf die wirtschaftliche Situation der Landkreise schielen.

Auch die Städte und Gemeinden haben nach wie vor klamme Kassen und stehen vor Zukunftsaufgaben, denken Sie an den Ausbau der Kinderbetreuung, die einen enormen finanziellen Kraftaufwand erfordern.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Generationengerechtigkeit bei den Kommunen, Kreisen und beim Verband möglich ist – und zwar durch Ausgabenbegrenzung!

Wir dürfen nicht mit zweierlei Maß an die Sache herangehen und auf der einen Seite postulieren, dass den Landkreisen weniger in die Tasche gegriffen wird, dabei aber galant verschweigen, dass die Verbandsumlage sich gegenüber den Kommunen sich deutlich erhöht.

Es kommt dem Trick eines Taschenspielers nahe, wenn zugleich verkündet wird, dass die Verbandsumlage gegenüber dem Jahre 2010 deutlich sinkt, man dabei aber verschweigt, dass sich im Vergleich zum Jahr 2011 eine Erhöhung ergibt.

Nichts bewegt die Pendler in der Region Stuttgart so sehr, wie die S-Bahn. Damit das so bleibt, darf das Finanzierungssystem nicht ins Wanken geraten. Die Erhöhung der Preise durch DB-Regio überfordert die Region Stuttgart.

So wurde nicht gewettet, als wir die Aufgabenträgerschaft der S-Bahn übernommen haben und darauf vertrauten, dass uns das Land bei Veränderungen der Kosten zur Seite springt. Die höheren Infrastrukturkosten gehören aus unserer Sicht zu den Leistungen, die von der Status quo-Regelung für die damals bestehenden Strecken umfasst wird. Es kann nicht sein, dass das Land uns mit dieser Kostensteigerung hängen lässt.

Wie im gemeinsamen Antrag mit der CDU und der FDP genannt, fordern wir das Land auf, dem Verband die Erhöhung der Trassen- und Stationspreise im Rahmen der Regionalisierungsmittel zu ersetzen.

Wir erwarten daher, dass die Geschäftsstelle und die Verbandsspitze gegenüber dem Land mit ganzem Nachdruck auftritt, um diese Verzerrung in der Finanzierung zu beseitigen.

Hier können Sie, Frau Wopperer, unter Beweis stellen, dass Sie etwas bewegen können, um die Region weiterhin mobil zu halten.

Noch ein Wort zur Beschaffung von vier neuen S-Bahn-Fahrzeugen. Wir halten die generelle Kapazitätserhöhung und die Ausdehnung der Hauptverkehrszeit sowie die Ausweitungen im Nachtverkehr für wichtig.

Die S-Bahn ist attraktiv und sie muss diesen Qualitätsstandard behalten und noch ausweiten. Wir werden daher die noch in 2012 notwendige Entscheidung zur Beschaffung dieser Fahrzeuge unterstützen, und die Mittel in 2013 bereitstellen.

Die Hängepartie „Stuttgart 21 und Neubaustrecke“ muss mit der Volksabstimmung ein Ende finden. Nachhaltige Planung im S-Bahn-Netz und im regionalen Schienennetz sind sonst rudimentär und bleiben sonst ein Torso. Ich verweise nur auf die Anbindung des Landkreises Göppingen oder die S-Bahn-Verlängerung nach Neuhausen. Beides geht ohne S 21 nicht.

Ohne S21 wird es auch keinen S-Bahn-Ringschluss von Filderstadt über Wendlingen am Neckar in das Neckartal geben können. Wir wollen frühzeitig dafür Sorge tragen, den Streckenausbau voranzutreiben und deutlich machen, welche Ausbaupotentiale durch Stuttgart 21 geschaffen werden.

Wir stellen daher den Antrag, aufbauend auf den bisherigen Studien, diesen S-Bahn-Ausbau und diesen wichtigen Ringschluss zu untersuchen.

In unserer Region bewegt sich viel. Aber wie sieht es auf unseren Straßen aus? Dort wird in der morgendlichen und abendlichen Rushhour leider mehr gestanden und gestaut, als bewegt.

Trotz aller Mobilitätskonzepte, trotz eines sehr guten ÖPNV mit S-Bahnen, Stadtbahnen und Bussen sind viele Menschen tagtäglich und nicht zuletzt auch unsere Gewerbetreibenden und die Industrie mit dem Gütertransport auf ein leistungsfähiges und funktionierendes Straßennetz angewiesen.

Es gehört daher auch zu einer nachhaltigen Mobilität dazu, neue Straßen dort zu bauen, wo sie als Umgehungsstraßen Menschen entlasten, und auch dafür sorgen, dass der Wirtschaftsstandort Region Stuttgart attraktiv und tragfähig bleibt.

Nachhaltige Mobilität ist in einem hoch verdichteten Wirtschaftsraum eine existenzielle Frage.

Naturgemäß steht beim Verband als Träger der S-Bahn und der Verbundstufe 2 der ÖPNV im Mittelpunkt. Da im Öffentlichen Personennahverkehr im wahrsten Sinne des Wortes viele Räder ineinandergreifen müssen, ist Sand im Getriebe unerwünscht.

Wir haben zwar in der Regionalverkehrsplanung einen beachtlichen Gestaltungsspielraum, sind aber abhängig von klaren Vorgaben des Landes. Und da hakt es. Es liegt zwar ein neuer Generalverkehrsplan Baden-Württemberg vor, aber es fehlt ihm in weiten Teilen an Verbindlichkeit. Vor allem gibt es keine Prioritätenliste der Verkehrsprojekte auf Straße und Schiene.

Wir verstehen den Regionalverkehrsplan als ein Konzept zur Entwicklung und Verknüpfung aller Verkehrswege – Schiene, Straße, Wasserwege und Luftverkehr. Hier ist man mit der Realität konfrontiert, langfristige Ziele sind notwendig, Ideologie hilft nicht weiter.

Deshalb muss die neue Landesregierung spätestens nach der Volksabstimmung S 21 klar Farbe bekennen:

– Welche Mittel stehen für den Ausbau des S-Bahnnetzes und für Fahrzeugbeschaffung zur Verfügung? Denn die gegenwärtige Vorfinanzierung können wir uns nicht länger leisten!

– Wird der Ausbau des Neckars und seiner Schleusen uneingeschränkt unterstützt?
– Auf welche Straßenbauprojekte zur Entlastung des völlig überlasteten Netzes kann man hoffen?

– Gibt es auch künftig ausreichend Mittel für das Landesradverkehrsnetz?

– Welche Maßnahmen werden ergriffen, um Kurzstreckenflüge durch die Schiene zu ersetzen?

Beim Verband sind die Vorarbeiten zum Regionalverkehrsplan weit vorangeschritten. Die Mobilitätsdatenerhebung hat uns zwar für viel Geld aktuellere Daten geliefert, umwerfend neue Erkenntnisse aber nicht. Die Entwicklung eines regionalen Verkehrsmodells hängt weitgehend von klaren Antworten der Landesregierung ab. Sonst produzieren wir einen Wunschkatalog ohne Realitätsbezug.

Dort wo es konkret wird, vermissen wir gelegentlich Aktivitäten der Verwaltung. Die Bemühungen um den Logistikknoten Kornwestheim sind durch die Passivität der Stadt in den Hintergrund gerückt. Deshalb verwundert es, dass dort, wo Initiativen von kommunaler Seite ergriffen werden, kein Echo erkennbar wird.

Die Stadt Plochingen beispielsweise möchte nach holländischem Vorbild durch Landgewinnung (Auffüllung eines Sicherheitsbeckens am Neckar) Logistikflächen schaffen. Dies an einem Knotenpunkt der wichtigen Verkehrsträger Schiene, Straße und Fluss. Die meisten Fraktionen haben sich ein Bild vor Ort gemacht.

Wir müssen die Kommunen entlang des Neckars darin unterstützen, ihre Standortpotentiale, die oftmals auch örtlich als Last empfunden werden, im Interesse der Gesamtregion einzubringen.

Der Mosaikstein des Güterverkehrszentrums in Kornwestheim fehlt, das KLOK hat in diesem Feld leider noch nicht das bewegen können, was wir uns von ihm versprochen haben.

So lange wir aber die Kommunen nicht in die Pflicht nehmen können, ihre Standortfaktoren im Interesse der Region einsetzen zu müssen, sollten wir diejenigen nach Kräften unterstützen, die bereit sind, sich einzubringen.

Wir erwarten daher von der Verbandsverwaltung, dass der von der Stadt Plochingen vor über einem Jahr eingereichte Antrag zur Unterstützung bei der Durchführung einer Machbarkeitsstudie zur Aktivierung weiterer Logistikflächen im Plochinger Hafen endlich dem zuständigen Ausschuss vorgelegt wird, damit dieser darüber befinden kann.

Sollte die Verbandsverwaltung die beantragten Mittel im Haushalt eingestellt haben, bitten wir um Nachsicht, wenn uns diese bei der Durchsicht nicht aufgefallen sind, signalisieren dann aber schon heute hilfsweise unsere Zustimmung.

Der Haushaltsplanentwurf 2012 widmet sich intensiv der nachhaltigen Mobilitätsregion. Im Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur und Verwaltung konnten wir vergangene Woche eine beeindruckende Leistungsbilanz unserer WRS GmbH und auch des Verbands zur Kenntnis nehmen. Hier bewegt sich einiges.

Aus unserer Sicht ist es der richtige Ansatz, die verschiedenen Handlungsfelder der nachhaltigen Modellregion sauber aufzugliedern und einzelne Maßnahmen diesen Handlungsfeldern zuzuordnen. Nur dann bleiben wir im Korridor unserer Handlungsmöglichkeiten als Verband.

Und um es klipp und klar zu sagen: Wir Freien Wähler stehen für die Sicherstellung einer nachhaltigen Mobilität in unserer Region.

Wir erwarten, dass die nachhaltige Mobilitätsregion tatsächlich regionsweit stattfindet und sich nicht nur auf eine oder zwei Kommunen beschränkt, die in der Kernregion liegen. Gerade auch der ländliche Raum ist auf eine funktionierende, nachhaltige Mobilität zwingend angewiesen.

Wir halten es zum heutigen Zeitpunkt aber für verfrüht, dass im Verbandshaushalt eine Million Euro für ein neues Programm haushaltswirksam eingestellt sind, und den Kommunen jetzt das Geld aus der Tasche gezogen wird, obwohl niemand konkret weiß, wofür.

Hier wird das Pferd vom Schwanz aufgezäumt! Es ist zu befürchten, dass durch diesen Griff in die Kassen anstatt Begeisterung eine Abwehrhaltung auf lokaler Ebene ausgelöst wird. Es fehlt eine Argumentationsgrundlage, was mit diesem Geld angefangen werden soll. Natürlich wissen auch wir, dass man mit vollen Hosen,… so, jetzt Sie wissen es auch.

Aber aus unserer Sicht geht es hier nicht um Duftmarken, sondern um die Kärrnerarbeit, ein Förderprogramm mit Hand und Fuß auszuarbeiten, das von dieser Regionalversammlung zu beschließen ist.

Wir stellen den Antrag, für 2012 die eine Million Euro im Haushaltsplan zu belassen, sie aber mit einem Sperrvermerk über 800.000 Euro zu versehen. Mit den 200.000 Euro kann das Förderkonzept erarbeitet werden und wenn nötig und möglich auch die eine oder andere Maßnahme kofinanziert werden.

Wobei uns die Frage bewegt, ob über das Förderprogramm Infrastrukturmaßnahmen der Kommunen mitfinanziert werden sollen und können. Wir meinen, wo Wirtschaftsförderung draufsteht, muss auch Wirtschaftsförderung drin sein.

Denn es geht nicht darum, wo Haushaltsmittel veranschlagt sind sondern wofür sie verwendet werden.

Und vielleicht ist es nicht jedem klar, aber wir werden als Verband Region Stuttgart doch keine Hardware oder Infrastruktur für die nachhaltige Mobilität fördern, weil das schlichtweg nicht unsere Aufgabe ist.

Die WRS hat bereits viel bewegt und für die Wirtschaftsförderung einiges erreicht, damit in unserer Region die Arbeitsplätze gesichert bleiben, der Umstieg vom Verbrennungsmotor auf die E-Mobilität gelingen kann und wir der prosperierende Wirtschaftsstandort bleiben, der wir heute sind.

Wenn wir nicht wüssten, dass die Verbandsverwaltung ohnehin stets eine gute Kommunikationsstrategie im Hinterkopf hat, würden wir beantragen, dass ein Teil der zur Verfügung stehenden Mittel auch für eine Kommunikationsstrategie verwendet wird, welche Erwartungen man an die nachhaltige Mobilitätsregion haben darf und welche aber auch nicht – oder um es genauer zu sagen: Zu erläutern, um was es geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn wir das Feld der Mobilität verlassen, wenden wir uns einem bewegenden Thema zu. Viele von uns hat die Frage bewegt, was wird der Strategieprozess des Vereins KulturRegion bringen?

Wir sehen heute, dass die Kulturexperten um Herrn Dr. Scheytt eine saubere Bestandsanalyse hervorgebracht haben.

Glockenklar ist zu erkennen:
1. Die Kultur hat in unserer Region einen hohen Stellenwert.
2. Wir sind eine vielfältige Kulturregion.
3. In unseren 179 Kommunen wird tagtäglich Kultur in einer Qualität und Fülle angeboten, wofür andere Regionen spezielle Anlässe benötigen.

Es würde sich also lohnen, das alles zu sammeln und zu verbreiten, und damit ein Netzwerk der Kultur anzulegen. Das kann nur eine funktionierende Geschäftsstelle leisten.

Nach wie vor spannend bleibt die Frage, wie es gelingen kann, dass die in der KulturRegion zusammengeschlossenen Kommunen sich auf gemeinsame Themen einlassen. Ob wir uns bis 2014 Zeit lassen sollten, um diese Probe aufs Exempel zu statuieren, muss die Mitgliederversammlung und der Vorstand des KulturRegion e.V. beraten und entscheiden.

Bis dahin könnten aber so viele Wasser den Neckar hinuntergeflossen sein, dass für die KulturRegion keine Zukunftsmusik mehr spielt. Immerhin hätten wir dann drei Jahre kein Projekt gestemmt. Ich hoffe nicht, dass dann manche fragen, ob etwas gefehlt hat.

Die Kommunen sind und bleiben die Kulturträger. Die Region kann nicht und darf nicht das Feld von Kulturveranstaltungen, die dann in der Region durchgeführt werden, besetzen. Nur wenn die Kulturträger in der Region bereit sind, sich einzubringen, wird ein regionalweiter und regionalbedeutsamer Impuls entstehen, der zu einer stärkeren Identifikation und Identität in der Region und für die Region sorgt.

Unbedeutend ist für uns die Frage, ob die KulturRegion in einen GmbH-Mantel gekleidet wird. Es gleicht einer Nebelkerze, die von den wahren Problemen ablenkt. Es bringt doch nicht wirklich etwas, alten Wein in einen neuen Schlauch zu geben.

Wir Freien Wähler setzen auf das Fundament einer starken kommunalen Struktur zur Gewährleistung der Aufgabenerfüllung. Das gilt für die Kulturarbeit, wie für den Sport oder die Umsetzung von Planungen für regenerative Energieerzeugungsanlagen, oder die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um nur ein paar wenige Themen der Daseinsvorsorge und Wirtschaftsförderung zu nennen.

Wir sehen keine weiteren Aufgaben, die dem Verband ins Stammbuch geschrieben werden müssten. Auch nicht in der ÖPNV-Zuständigkeit.

Wir Freien Wähler belassen es in diesem Jahr bei zwei Anträgen zum Haushalt 2012. Dies in der Hoffnung, dass unsere vier anderen Anträge vom Oktober 2010, zum Thema „Innovation“, vom Januar 2011, zum „Dialog mit den Hochschulen“, vom März 2011 mit dem wir unserer Initiative „Wir in der Region Stuttgart“ gestartet haben und vom Mai 2011 zum „Handwerkerparkausweis“ dadurch schneller die Aufmerksamkeit der Verbandsverwaltung geschenkt bekommen und endlich bearbeitet werden.

Wir Freien Wähler stehen bereit, um mit Ihnen allen die Region so aufzustellen, dass sie sich nicht nur bewegt, sondern in eine gute Zukunft steuert.

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