Braucht der Verband Region Stuttgart zur besseren Aufgabenerfüllung wirklich mehr Zuständigkeiten?

Diese Frage war ein wichtiges Thema in der Regionalversammlung am 25. September 2013. Ein Antrag der Fraktionen SPD und Grüne, unterstützt von der CDU, befasste sich mit drei Kernpunkten:

  • Übertragung des gesamten ÖPNV, auch der Busverkehre, auf die Region
  • Zuständigkeit für Zielabweichungsverfahren
  • Personelle Struktur an der Verbandsspitze

Fraktionsvorsitzender Andreas Hesky begründete die Ablehnung seiner Fraktion wie folgt:

Anrede

Heute gilt es, Farbe zu bekennen. Wir Freien Wähler tun dies gerne, weil wir der Auffas-sung sind, es ist eine gute Chance, um darzulegen, ob und welche Weichen aus Sicht der Fraktionen für die Zukunft des Verbands Region Stuttgart zu stellen sind.

Doch Vorsicht, nicht wir sitzen im Stellwerk. Sondern wir bitten das Land und den Land-tag, für den Verband Region Stuttgart, der ohnehin eine völlig singuläre Sonderstellung in Baden-Württemberg hat, eine oder mehrere weitere Sonderregelungen zu erlassen.

Uns Freien Wählern kam nie der Gedanke, im Gegensatz vielleicht zu anderen, dass wir ein kleiner Landtag sind. Wir sind der entschiedenen Auffassung, dass der Verband Re-gion Stuttgart, so wie er ins Leben gerufen wurde und mit der Zusage an die Kommunen, keine weitere Verwaltungsebene zu sein, ein klassischer Zweckverband ist, der bestimmte regionalbedeutsame Aufgaben wahrnimmt.

Und da lassen wir Freien Wähler überhaupt keinen Zweifel aufkommen: Diese Aufgaben nimmt der Verband Region Stuttgart sehr gut wahr. Wir legen ein klares Bekenntnis zur Region ab, als Zweckverband, der sich um regionalbedeutsame Planung, regionalbedeut-samen schienengebundenen ÖPNV und um regionalbedeutsame Wirtschafts-, Kultur-, Tourismus- und Sportthemen kümmert. Das ist kein kleines Aufgabengebiet. Hier können dicke Bretter gebohrt werden. Was uns immer wieder, fraktionsübergreifend, ver-bindet, ist die Verärgerung darüber, dass manche Dinge, die wir im Regionalplan, beispielsweise beim Thema Verkehr, beschließen, weder im Land noch im Bund umgesetzt oder auch nur gehört werden. Unabhängig von den Regierungskonstellationen. Das ist traurig und auch eine gewisse Geringschätzung der Planung des Verbands Region Stuttgart, die sorgsam abgewogen, mit großer Kompetenz und an den Bedürfnissen der Menschen, der Wirtschaft und auch der Ökologie orientiert, verabschiedet wurde. Wir sehen uns mit unserer Mobilitätspolitik, die auf ÖPNV aber auch auf die Straße setzt, in der Bürgerumfrage bestätigt.

Bleiben wir beim Thema Regionalplanung. Der im Antrag unter Ziffer 2 dargelegte Wunsch, die Zuständigkeit für Zielabweichungsverfahren übertragen zu bekommen, widerspricht dem Staatsaufbau und würde die Rechtsaufsicht auf den Kopf stellen. Wir sind eine Planungsinstanz. Ein Zweckverband, der Aufgaben im Rahmen der vorgegebe-nen Gesetze und Vorgaben erfüllt. Nicht mehr und nicht weniger. Und unser Regional-plan muss sich an den Zielen der Landesplanung ausrichten, weshalb das Land über das Regierungspräsidium die Genehmigungsinstanz für den Regionalplan ist.

Zur vorliegenden Rechtsauskunft, die am Montag aus dem Hut gezaubert wurde, möchte ich nur so viel sagen: Wusste der Auftragnehmer, dass die Regelungen bereits erlassen sind und wir nicht erstmals im rechtsfreien Raum entscheiden? Wenn das so wäre, wie dort ausgeführt, benötigten wir auf Kreisebene keine staatliche Behörde und der Kreis-tag könnte über Landschaftsschutzgebiete entscheiden oder auf kommunaler Ebene könnte der Gemeinderat für Bußgeldsachen zuständig werden. Ein bisschen erinnert mich das Papier an das Gutachten, wonach Rauchen gesund sei, und dies von Dr. Marlboro unterschrieben wurde.

In unserem Regionalplan, den wir gemeinsam beschlossen haben, sind die für uns wich-tigen Ziele definiert und festgelegt und vom Land nach der Prüfung, ob sie mit den Lan-deszielen übereinstimmen, genehmigt. Es kann nach unserer Auffassung nicht sein, dass wir selbst darüber entscheiden, ob wir von den Zielen, welche der Landesgesetzgeber genehmigt hat, selber abweichen können, ohne ihn zu fragen.

Das wäre so, wie wenn es Kommunen möglich wäre, ihre Flächennutzungspläne nach der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde in eigener Hoheit partiell zu än-dern, ohne dies wiederum mit der Genehmigungsbehörde abzustimmen. Es wäre eine Durchbrechung des Ordnungsprinzips in unserem Staatsaufbau, die dazu führen müsste, eine staatliche Entscheidungsebene im Verband Region Stuttgart einzuziehen.

Wenn wir der Auffassung sind, dass wir Zielabweichungsverfahren vermeiden sollten, dann müssten wir aus unserer Sicht eher die Frage stellen, ob wir die sehr eng gefassten Vorgaben des Regionalplanes, die zumindest auch im Vergleich mit anderen Regionen nicht zu einer wirtschaftlich stärkeren Prosperität der Region Stuttgart geführt haben, etwas weniger restriktiv fassen sollten.

Und noch etwas, und das ist nicht das geringste Argument: Natürlich kann man von All-zuständigkeiten träumen. Aber es hat auch sein Gutes, wenn verschiedene Sichtweisen in eine Entscheidung einfließen. Bei einem Zielabweichungsverfahren muss das Land eine Gesamtschau aus Landessicht vornehmen, und es darf nicht nur die regionale Brille aufgesetzt werden.

Kommen wir zum ÖPNV. Für uns ist das zentralste Argument, warum wir der Auffassung sind, dass der Verband Region Stuttgart nicht die Aufgabe für den gesamten Öffentlichen Personennahverkehr in der Region Stuttgart erhalten soll, das Subsidiaritätsprinzip. Das Subsidiaritätsprinzip, also die klare Vorgabe, dass die Aufgabe auf der untersten Ebene im Staat, wo sie erledigt werden kann, auch dort erledigt werden soll, hat unsere Städte und unser Land groß gemacht.

Der Verband Region Stuttgart erledigt die S-Bahn als Aufgabenträger par excellence. Es hapert nicht wegen des Verbands. Wir haben ein im Hinblick auf unsere topografische Situation und auf die historische Siedlungsentwicklung hervorragendes S-Bahn-Netz, das sich sehen lassen kann. Aber warum soll der Verband Region Stuttgart besser wissen, welche Busverkehre in den Landkreisen bis in den letzten Winkel fahren sollen?

Die Zentralisierung bringt keine Vorteile, sie würde zu einer Gleichmacherei führen, welche zwar formal gesehen dann überall denselben Takt, den vermeintlich gleichen Standard vorgibt, der aber überhaupt nicht notwendig ist, weil die Erfordernisse unter-schiedlich sind, was man aus unserer Sicht vor Ort genau weiß, mindestens so gut, wie wir es wissen würden. Wir hätten bei der Zentralisierung keine Effizienzsteigerung, sondern würden lediglich die Organisation und Finanzierung der Busverkehre auf eine höhere Ebene legen, wobei sich umlagefinanzierte Konstruktionen schon immer etwas leichter taten mit der Geldbeschaffung, weil ihr Durchgriff auf die Geldbörse der einzelnen Bürgerin, oder des einzelnen Bürgers oder des Grundsteuerzahlers und Gewerbe-steuerzahlers nicht bemerkt wird.

Und noch etwas soll nicht unerwähnt bleiben: Es ist ein leicht durchschaubares Manöver, dass man im Antrag Ausnahmen für die SSB und die Busverkehre, die im Eigentum von Städten sind, definiert. Hier geht es um die Planungskompetenz, hier geht es um die Übertragung der Aufgabenträgerschaft und dann müssen für alle Verkehre die selben Regelungen gelten. Und wenn man tatsächlich der Auffassung sein sollte, wie es die SPD, die Grünen und auch die CDU in den Vorberatungen und auch schon in früheren Jahren dargelegt haben, dass man den ÖPNV für die gesamte Region aus einem Guss möchte, dann gibt es keinen Grund dafür, dass man ausgerechnet die Bus- und Stadtbahnverkehre in der Landeshauptstadt herausnimmt.

Lassen Sie mich noch auf die Verbandsspitze und die Ziffer 3 zu sprechen kommen. Wir Freien Wähler haben überhaupt kein Problem damit, wenn an der Spitze des Verbands eine starke Persönlichkeit steht. Ganz im Gegenteil, das ist für unsere starke Region notwendig und wichtig. Wir haben aber auch kein Problem mit zwei starken Persönlich-keiten an der Spitze.

In unserer Fraktion gibt es viele Anhänger der Süddeutschen Ratsverfassung. Die Situa-tion der Kommunen in Baden-Württemberg im Vergleich mit anderen Bundesländern zeigt, sie ist ein Erfolgsmodell. Und auch die Stellung eines Landrats – ohne deren Di-rektwahl – wird von uns Freien Wählern ausdrücklich für gut geheißen. Aber beides passt nicht für unseren Verband. Denn er ist keine Gebietskörperschaft, sondern der Zusammenschluss von 179 Kommunen in einem Zweckverband, der bestimmte Aufgaben zu erledigen hat, letztlich in der Verantwortung der Kommunen.

Diese Verantwortung und Anbindung an die Kommunen ist in unserer Region Stuttgart etwas geringer ausgeprägt, weil wir eine demokratisch legitimierte Regionalversammlung haben, die von der Regionalbevölkerung gewählt wird. In anderen Regionalverbänden findet sich diese Struktur nicht, was vielleicht ein Grund sein kann, dass dort oftmals kommunalfreundlicher und weniger restriktiv gehandelt wird.

Der Aufbau des Verbands Region Stuttgart richtet nach dem Zweckverbandsgesetz, das eine klare Trennung von operativem Geschäft, also Vollzug der Beschlüsse, und politi-schem Geschäft, vorsieht. Es gibt für uns keinen Grund, dies ändern zu wollen, auch weil wir keine Notwendigkeit sehen, den Verband mit mehr Kompetenz auszustatten. Daher tragen wir auch den von der CDU abgeänderten Antrag nicht mit. Wir dürfen doch nicht aufgrund von gemachten Erfahrungen oder weil womöglich die Sorge besteht, keine qualifizierten Bewerberinnen und Bewerber zu erhalten, das Land bitten, einen grund-sätzlichen Regelbruch in der Konstruktion von Zweckverbänden vorzunehmen.

Wir werden daher auch heute den Antrag mit guten Gründen in allen drei Punkten ab-lehnen.

 

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Freie Wähler in der Region Stuttgart