Haushaltsplan 2015 des Verbands Region Stuttgart
Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Andreas Hesky – 6 Anträge (fehlender Wohnraum, Einzelhandelsversorgung, Welcome-Center, i-Punkt während Messen, Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit, Schnelles Internet)
Die Regionalfraktion Freie Wähler nimmt alljährlich eine sorgfältige Analyse des von der Verbandsverwaltung vorgelegten Haushaltsentwurfs vor. In einer Klausurtagung befassen sich die Mitglieder der Fachausschüsse intensiv mit den sie berührenden Passagen des umfangreichen Zahlenwerks. Deren Stellungnahmen sind Grundlage der Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden und der zu stellenden Anträge. Im Anschluss an die Rede finden Sie die von der Fraktion eingereichten Anträge.
Haushaltsrede 2015 des Vorsitzenden der Fraktion,
Oberbürgermeister Andreas Hesky
Sehr geehrter Herr Vorsitzender Bopp,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Frau Dr. Schelling,
Ihren ersten Haushaltsplanentwurf als Regionaldirektorin stellten Sie unter das Motto „Erfolgreiches in 2015 weiterführen – innovativer Vorreiter sein – aktiv an neue Aufgaben machen“.
Grundsätzlich trifft das auch die Haltung von uns Freien Wählern. Dennoch wollen wir genauer hinsehen, und den Fragen nachgehen, was ist erfolgreich? Wo sind wir innovativer Vorreiter? Mit welchen Zielen wollen wir neue Aufgaben angehen?
Uns ist es nach wie vor wichtig, dass sich der Verband auf seine ureigenen Aufgaben konzentriert. Die Menschen müssen die Region kennen, sich in ihr zuhause fühlen, regionale Identität entwickeln, aber sie werden immer zu allererst in ihrer Stadt und Gemeinde verwurzelt sein, weil Heimat vor allem lokal und nicht regional ist.
Wir sind der festen Überzeugung, der Verband hat seine Daseinsberechtigung, auch wenn die Menschen, die in unserer schönen Region leben, nicht jeden Tag in Dankbarkeit und Ehrfurcht an den Verband denken, sondern einfach wollen, dass die S-Bahn pünktlich fährt, wir in unserer Region lebendige Innenstädte haben, wir unseren Beitrag zur dezentralen regenerativen Energieerzeugung leisten und mithelfen, das Wohnungsproblem zu lösen.
Aber haben wir unsere Hausaufgaben gemacht, um uns guten Gewissens „aktiv Neuem“ zuwenden zu können?
Die Aussage des Forums Region Stuttgart, „wir seien zu gut, um in Zukunft bei den Besten dabei zu sein“, muss auch den letzten wachrütteln. Wir Freien Wähler wollen, dass der Verband weiterhin zu den Besten gehört – und damit dies so bleibt, muss an mancher Stellschraube gedreht werden.
Lassen Sie mich bei der Siedlungsentwicklung beginnen. Es ist zwar generell richtig, dass wir in unserem Regionalplan viele Flächen zur Siedlungsentwicklung ausgewiesen haben. Aber wo sind diese Flächenreserven? Werden sie von den Kommunen umgesetzt? Oder würden sie nur zu beleuchteten Wiesen führen, weil dort eben kein Bedarf ist?
Es ist wie beim Angeln: Der Wurm muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken. Denn wir sind eine freie Gesellschaft. Wettbewerb und marktwirtschaftliche Prinzipien sind die Grundlage für soziales Handeln und Erfolg. Natürlich ist das Setzen von Schranken und Leitplanken notwendig. Aber wenn die Leitplanken eine Sackgasse begleiten, die in eine Fehlentwicklung führt, dann muss gegengesteuert werden. Wenn die Angebotsplanung des Regionalplans nicht angenommen wird, muss das Angebot verändert werden, weil der Kunde, beispielsweise die Fachkraft, umworben wird und es sich aussuchen kann, in welcher Region sie leben möchte.
Das neu eröffnete Welcome-Center wird von uns unterstützt und mitgetragen. Es ist ein wichtiges Zeichen für Offenheit und kulturelle Vielfalt. Es ist ein Schaufenster der Wirtschaft, die Fachkräfte sucht. Es ist aber auch ein Schaufenster der regionalen Gesellschaft und der Landschaft, die auch dafür entscheidend sind, dass man zu uns kommt.
Wir meinen, ein Welcome-Center würde auch dort viel bringen, wo sich Fachkräfte und die Wirtschaft begegnen: Auf der Messe. Daher beantragen wir die Einrichtung einer Außenstelle des Welcome-Centers bei geeigneten Wirtschafts-Messen in den Messehallen (Antrag 3).
Parallel dazu beantragen wir, dass ein i-Punkt während allen geeigneten Messen eröffnet wird, um die Tourismusarbeit zu präsentieren (Antrag 4).
Aber was helfen uns die besten Kräfte in der Region, wenn wir ihnen keinen Wohnraum anbieten können? Denn unserem „atmenden Regionalplan“ geht die Puste aus. Frau Doktor, wir diagnostizieren: Flachatmung bei Kurzatmigkeit mit einhergehendem Strahlkraftverlust. Unser Rezept: Wir müssen in den Kommunen mit Siedlungsdruck mehr zulassen, als bisher regionalplanerisch möglich ist. Wir müssen mehr Spielräume nutzen, wobei manche erst neu zu schaffen sind, weil wir uns diese selbst genommen haben, oft, weil manche der hier Anwesenden nicht genügend Vertrauen in kommunale Entscheidungsträger haben, dass diese sorgsam mit Möglichkeiten umgehen. Wir beantragen daher, dass Wege aufgezeigt werden, um ein wirkliches Atmen des Regionalplans zu ermöglichen, um einen Beitrag zu leisten, die enorme Nachfrage nach Wohnraum in allen Segmenten des Wohnungsmarkts zu beheben (Antrag 1).
Mit Sorge betrachten wir auch die Entwicklung zur Suche nach neuen Gewerbeflächen. Es muss einen nicht wundern, wenn das Forum Region Stuttgart und wir selbst feststellen, dass die Gründungsdynamik in unserer Region zu wünschen übrig lässt und andere Regionen, mit denen wir im Wettbewerb stehen, mehr wirtschaftliche Dynamik entwickeln. Das ist keine Kritik an der Arbeit von Ihnen, Herr Kiwitt. Ihnen gebührt unser aller Lob für Ihre Engelsgeduld und Ihre Engelszungen, die Sie vor Ort einsetzen. Allerdings ist festzustellen, dass wir einen Status erreicht haben, in dem die Kommunen nicht mehr fragen, was kann ich für die Region tun? … sondern oft nur darauf achten, dass ihre Kreise nicht gestört, der Verkehr nicht mehr wird und alles seinen gewohnten Lauf nimmt. Deshalb muss sich die Region Gedanken machen, wie es gelingen kann, Kommunen zur Neuausweisung von Gewerbegebieten zu bewegen. Das Förderprogramm „Interkommunale Kooperation“ könnte solche Chancen bieten – aber nicht so, wie es bisher gehandhabt wird.
In Ihrer Haushaltsrede, Frau Dr. Schelling, führten Sie aus, ich zitiere: „Mit unseren Förderprogrammen verfolgen wir eine ganz konkrete Idee: Mit Wettbewerben um die Fördermittel wollen wir regionale Ziele und Planung mit der kommunalen Praxis verzahnen.“ Soweit so gut. Die Präsentation in der darauf folgenden WIV Sitzung mit Vorschlägen, für die das Förderprogramm eingesetzt werden soll, gab aber ein ganz anderes Bild: Statt Wettbewerb war es Einzelansprache. Von Innovation war wenig zu spüren. Eine Chance wurde vertan.
Wir Freien Wähler stellen daher guten Gewissens unseren Antrag zum Haushalt 2014, die Mittel für das Programm zu streichen, dieses Jahr erneut (Antrag 5). Wir sind keine Förderstelle für strukturschwache Räume und wir wollen auch nicht, dass sich die Verteilpraxis des Verbands Region Stuttgart zu einem regionalen Finanzausgleich entwickelt. Denn so darf man nicht mit regionalem Geld umgehen.
Dies veranlasst mich zum Hinweis, dass das regionale Bewusstsein sicher höher wäre, wenn der Verband eine eigene Einnahmequelle hätte, die unmittelbar im Geldbeutel der Einwohner zu spüren wäre. Aber als Umlagefinanzierer, der sein Geld bei den Kreisen und Kommunen erhebt, spüren es die 2,7 Millionen Menschen kaum. Das ist aber aus unserer Sicht kein Freibrief für die bisherige gängige Praxis, die auch unter Ihnen, Frau Dr. Schelling, fortgesetzt wird: Die Regionalumlage soll gleich hoch bleiben und nicht auch sinken oder im Falle des Falles auch steigen. Das ist haushaltsrechtlich nicht zu begründen.
Noch etwas bewegt uns Freie Wähler: Die Entwicklung der Einkaufsmärkte in der Region. Da meinen wir weniger die Entwicklung in Stuttgart, denn es wird sich weisen, welche Auswirkungen diese auf die Region, vor allem aber auf Stuttgart selbst hat. Dennoch muss darauf geachtet werden, dass die Ausgeglichenheit zwischen Oberzentrum einerseits und den Mittel-, Klein- und Unterzentren andererseits nicht kippt. Daher sehen wir in den neuen Stuttgarter Einkaufstempeln keinen Untergang des regionalen Einkaufsabendlandes, sondern sehen viel mehr in einem ganz anderen Segment akute regionale Handlungsnotwendigkeit:
Das regionalplanerische Ziel „Siedlungsbereiche mit passenden Einkaufsmöglichkeiten zu haben“, insbesondere der lokalen Grundversorgung vor Ort, sehen wir als gefährdet und nicht mehr flächendeckend als erreicht an. Wir beantragen daher zu überlegen, wie geholfen werden kann, dass auch kleinere Kommunen die Möglichkeit behalten oder wieder bekommen, einen Einkaufsmarkt vor Ort zu sichern. (Antrag 2).
Noch ein Wort zum Regionalplan, genauer gesagt, zur Windkraft: Es ist erschreckend, mit welcher Gelassenheit der Bund und vor allem das Land das Thema bearbeiten. Das Jahr 2022 zum Ausstieg aus der Atomenergie kommt näher – und die Möglichkeiten zum Ausbau regenerativer Energie werden zerrieben zwischen Landschaftsschutz, dem Schutz von Flora und Fauna, Wetterradar, Flugsicherung, Mopsfledermäusen und dem Wunsch mancher Bürgerinnen und Bürger, den eigenen Lebensstandard zu halten, ohne einen Beitrag dafür leisten zu wollen. Offenbar können wir uns diese Haltung erlauben. Auch das ist keine Kritik an der Arbeit des Verbandes, sondern ein Schlaglicht auf die Gesellschaft und die Politik in Bund und Land. Wir sind gespannt, woher der Strom 2022 kommt, den die dann vom Netz gehenden Atomkraftwerke nicht mehr erzeugen.
Lassen Sie mich zum Thema Verkehr kommen: Nach wie vor haben wir eine offene Flanke in der Region und das ist die Logistik. Jeder braucht sie – keiner will sie. Es klappt schließlich auch ohne regionalen Logistikumschlagplatz. Aber alle sind sich einig: Wir haben zu viele LKWs auf der Straße. Leider hat sich aber noch niemand freiwillig gemeldet, um einen Beitrag leisten, das Problem zu lösen. Keiner will mehr Straßen oder einen Logistikumschlagplatz auf seiner Markung. Und gleichzeitig wird beklagt: „Die wirtschaftliche Dynamik in der Region lässt nach“ – Ursache und Wirkung will man nicht wahrhaben.
Eine neue Aufgabe kommt auf uns zu, die wir Freien Wähler mit aller Entschlossenheit anpacken wollen: Das Verkehrsmanagement und vor allem das regionale P+R-Angebot. Wir verweisen auf unseren Antrag vom Juli 2014. Hier sehen wir, dass es einer regionalen Steuerung bedarf, um die kommunale Ebene mit dem übergeordneten Ziel der Entlastung des Straßennetzes zu verzahnen. Das wird nicht kostenlos sein und wir sind bereit, dafür auch Geld zu investieren.
Gut angelegtes Geld sehen wir auch im Programm „Nachhaltige Mobilität“, wobei wir mahnend darauf hinweisen, dass es schwer werden wird, den Kommunen, die noch keine e-bike-Station haben, zu sagen, nun gibt es keine Förderung mehr aus diesem Topf. Glücklicherweise fängt das GVFG dies auf, aber das Beispiel zeigt, dass man Fördertöpfe mit konkreten Zielvorgaben verbinden muss und nicht das Scheunentor aufmacht unter dem Motto: „Alles was nicht bei drei auf den Bäumen ist, wird gefördert.“ Zum Stichwort GVFG ist zu sagen, dass es uns größtes Unbehagen macht, dass dieses wichtige Förder- und Entwicklungsprogramm ersatzlos gestrichen werden soll. Das könnte das Ende vieler Projekte und vor allem des S-Bahn-Ausbaus sein. Unser seit Jahren verfolgtes Ziel, einen Ringschluss mit der S2 über Neuhausen in das Neckartal zu erreichen, sehen wir dadurch als stark gefährdet an.
Lassen Sie mich noch auf ein Netz zu sprechen kommen, das ebenfalls wichtig ist: Fehlendes schnelles Internet wird immer mehr zum Investitionshemmnis für Unternehmen und auch für Private. Wir sehen zwar ausschließlich die Kommunen in der Pflicht, zu investieren, wollen aber nicht verkennen, dass eine regionale Lenkungsfunktion Sinn machen könnte.
Der Verband hat vergangenes Jahr das Thema aufgegriffen und Beratungsgutscheine für Kommunen entwickelt. Wir beantragen dazu einen Sachstandsbericht (Antrag 6) und erbitten von der Verbandsgeschäftsstelle, aufzuzeigen, wie durch ein regionales Management die Versorgung mit einem leistungsfähigen Internet auch in ländlichen Gebieten verbessert werden könnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch ist es zu früh, um zu signalisieren, ob wir Freien Wähler dem Haushaltsentwurf zustimmen können. Es ist uns zu wenig, den bisherigen Weg fortzusetzen und zu proklamieren, man möchte innovativer Vorreiter sein. Wir sehen viel mehr die Notwendigkeit, bisherige Positionen zu prüfen, ob sie für unsere Wirtschaft und die Siedlungs-, Einkaufs- und Mobilitätsentwicklung in unserer Region die richtigen Impulse bisher gaben und künftig geben, um auch weiterhin eine prosperierende, lebenswerte Region zu bleiben, die heute und auch in Zukunft zu den Besten gehört.
Hier können Sie die eingereichten Anträge aufrufen:
Antrag 1 – Es fehlt an Wohnraum
Antrag 2 – Bessere Einzelhandelsversorgung
Antrag 3 – Einrichtung des Welcome-Centers
Antrag 4 – i-Punkt während Messen
Antrag 5 – Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit