Wohnungsknappheit – die Region löst die Bremse nicht

Freie Wähler: Regionalplan geht an der Wirklichkeit vorbei – Versäumnisse der Vergangenheit werden spürbar

Wohnraum in der Region Stuttgart ist knapp und teuer, vor allem im Zentrum der Region! Bis 2030 soll die Bevölkerung ausgehend vom Jahr 2012 um 85.000 Einwohner wachsen auf 2,732 Millionen, jedenfalls nach den Berechnungen des Statistischen Landesamtes. Nach der jüngsten Vorausrechnung von dieser Woche sollen bis 2030 sogar weitere 94.000 Personen dazukommen. Und was macht der Verband Region Stuttgart? Er verweist darauf, dass im Regionalplan rd. 2350 ha Wohnbauflächen für etwa 190 000 Menschen ausgewiesen sind. Chefplaner Thomas Kiwitt erkennt zwar den Bedarf, den man jahrelang negiert hat, glaubt aber, dass die Flächenreserven ausreichen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus – die Tatsache, dass tatsächlich eine erhebliche Wohnungsknappheit herrscht, vor allem für preisgünstige Mietwohnungen, beweist, dass der Verband an der Wirklichkeit vorbeiplant.

Es sind allein die Städte und Gemeinden, die Bauland ausweisen und erschließen und die zu uns ziehenden Menschen stimmen mit den Füßen ab. Wir leben in keiner Planwirtschaft, es ist die Standortqualität einer Kommune auf den Feldern Arbeiten, Freizeit und Bildung, nach denen sich die wohnungssuchenden Familien richten. Zuzustimmen ist dem Verband, wenn er betont, dass mit Einfamilienhäusern auf der grünen Wiese das Problem nicht zu lösen ist. Wir Freien Wähler sehen es aber als einen grundsätzlichen Strategiefehler an, die Gemeinden außerhalb der Siedlungsschwerpunkte und Entwicklungsachsen weitgehend außen vor zu lassen. Auch diese Kommunen werden derzeit und mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den kommenden Jahren bei der Wohnraumversorgung für einkommensschwache Familien und der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen gefordert sein. Im Gegenteil, die notwendige Integration gelingt in kleineren Gemeinden besser.

Ein Rechenbeispiel soll die Zwangslage verdeutlichen, in der sich die Gemeinden gegenwärtig befinden. Eine Kommune mit 5000 Einwohnern muss allein aufgrund der Flüchtlingszuweisung in diesem Jahr in der Anschlussunterbringung mindestens 200 Einwohner versorgen. Der mögliche Familiennachzug ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Der Eigenbedarf aus der örtlichen Entwicklung kommt noch hinzu. Ihre Wachstumsmöglichkeit (Ausweisung von zusätzlichem Bauland) beträgt jährlich 0,2 %, an den Entwicklungsachsen 0,3 %. In 5 Jahren (!) wären dies 1 bzw. 1,5 %, in Einwohnern gerechnet 50 – 75. Eine solche Rechnung kann nicht aufgehen. Weil diese Zahlen seit Jahren Anwendung finden, ist der auf dem Wohnungsmarkt heftig spürbare Engpass entstanden. Diese Fehleinschätzung rächt sich jetzt.

Eine weitere Erkenntnis der letzten Jahre ist die Tatsache, dass gerade in den Zentren und an den Entwicklungsachsen die Bereitschaft der Kommunen abnimmt, Bauland zu erschließen. Zu groß sind häufig die Widerstände in der Öffentlichkeit oder die mangelnde Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer.

Alle Gemeinden ins Boot holen

Statt jetzt alle Gemeinden ins Boot zu holen und sie aufzufordern, mit konkreten Lösungsvorschlägen auf den Verband zuzugehen, soll jetzt eine zeitraubende Suche nach den Hindernissen beginnen. Es wird verkannt, wie sehr es den Kommunen auf den Nägeln brennt. Planungsdiktate helfen nicht, es braucht Freiraum für kommunale Eigeninitiativen. Dabei müssen keineswegs wichtige Planungsgrundsätze, wie Schonung der Landschaft, Verkehrsgunst oder Verdichtung, völlig über Bord geworfen werden.

Der Sprecher der Freien Wähler im Planungsausschuss, Bürgermeister Wilfried Wallbrecht, spricht aus seiner kommunalen Praxis, wenn er betont, dass die gegenwärtigen Ziele der Regionalplanung (ein Mehr an Bauland von 0,2 bzw. 0,3 % pro Jahr) in den Städten und Gemeinden sogar zu Einwohnerverlusten führen. Von einer Bedarfsdeckung sei man weit entfernt. Hinzu komme, dass die Wohnfläche pro Kopf weiterhin zunehme. „Wo sollen da die Wohnungen für Neubürger herkommen?“ Regionalrat Bürgermeister Wilfried Dölker aus Holzgerlingen ergänzt: „Man darf die Siedlungsentwicklung nicht allein an der Verkehrslage ausrichten. Es geht auch um die Infrastruktur wie Kindergärten und Schulen, die man nicht ausbluten lassen darf.“

Das Fazit von Regionalrat Wilfried Wallbrecht: Mit der Zuwanderung der Flüchtlinge in diesem Jahr beginnt „eine neue Zeitrechnung“. Die Struktur des Regionalplans stimmt, die Messlatte allerdings nicht mehr.

Die Fraktion Freie Wähler fordert den Verband auf, den Schulterschluss mit allen Städten und Gemeinden zu suchen. Sonst ist die Herkulesaufgabe einer bedarfsgerechten Wohnraumversorgung nicht zu bewältigen.

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