Fachtag Wohnungsbau – und der Berg kreißte….

Viel Lärm um wenig – Versäumnisse der Vergangenheit nur schwer aufholbar – Kommentar am Ende der Pressemeldung

Plötzlich nehmen sich viele des Themas Wohnungsknappheit an – sogar der Verband Region Stuttgart. Jahrelang wurden die mahnenden und konstruktiven Lösungsvorschläge der Fraktion Freie Wähler in den Wind geschlagen. Letzt ist guter Rat teuer.

Eine Fachtagung des Verbands Region Stuttgart beleuchtete Hemmnisse und Lösungen auf dem Weg zu mehr bezahlbarem Wohnraum. Dazu wurde die folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

„Es gibt kein Patentrezept. Aber es gibt vielfältige Ansätze auf allen Ebenen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das hat der heutige Fachtag des Verbands Region Stuttgart eindrucksvoll gezeigt. Experten der Immobilien- und Wohnungswirtschaft, Stadtplaner und Interessensvertreter haben ein „Rundumpacket zum Thema Wohnbauflächen mobilisieren“ geschnürt, so Moderatorin Dagmar Lange. Die Lösungen reichen vom Entrümpeln von Baunormen über stärkere Investitionen in öffentlichen Wohnraum bis hin zu Verfahrensfragen bei der kommunalen Baulandumlegung oder dichtere Bauformen. Etwa 100 Teilnehmer, darunter Oberbürgermeister, Bürgermeister, Planer und Regionalpolitiker, erhielten interessante Impulse.

„Die heutige Veranstaltung kann nur ein Beitrag gewesen sein, dem andere folgen werden“, kündigte Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling weitere Diskussionen und Entscheidungen auch in den Gremien der Regionalversammlung an. Sie hob hervor: „Der Regionalplan für die Region Stuttgart ist auf Wachstum gerichtet und zeigt erhebliche Gestaltungsspielräume auf.“ Der Verband Region Stuttgart wolle Städte unterstützen, Wohnbauflächen, die sich nicht umsetzen lassen, an machbaren Standorten zu realisieren, sagte sie weiter. „Dabei bleiben das Wie und das Wo entscheidend“. Eine internationale Bauausstellung (IBA) stelle „eine hervorragende Möglichkeit“ dar, innovative Ansätze für bezahlbaren Wohnraum zu realisieren. Wichtig sei es, dass alle an einem Strang ziehen. „Wir brauchen ein breites Bündnis der Akteure“, so Dr. Schelling.

„Wir dürfen nicht alles zubauen“

Dass beim Thema Wohnraum alles mit allem zusammenhängt, machte der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart, Thomas S. Bopp, in seiner Begrüßung deutlich. Die Region Stuttgart brauche „qualifizierte Zuwanderung“. Fachkräfte wiederum bräuchten bezahlbaren Wohnraum. Siedlungsentwicklung und leistungsfähige Infrastruktur seien also eine Seite der gleichen Medaille. Doch, „wir dürfen nicht und wollen auch nicht alles zubauen“, ist er überzeugt. Die Strategie des Verbands Region Stuttgart sieht regionale Wohnbauschwerpunkte an den S-Bahn-Linien vor. Sie habe sich bewährt, gleichwohl gebe es noch Flächenreserven für um die 150.000 Menschen. Vorstellbar wäre es gegebenenfalls, „Karteileichen aus dem Regionalplan zu entfernen und neue Wohnbauschwerpunkte auszuweisen.“ Es komme darauf an, „die Akzeptanz der Bevölkerung für den Bau von zusätzlichem Wohnraum“ zu fördern. Dabei wolle die Region unterstützen.

Vorschriften entrümpeln

Wer bezahlbaren Wohnraum möchte, müsse günstige Grundstücke anbieten, führte Frank Berlepp, Geschäftsführer der LBBW Immobilienmanagement GmbH aus. Als weiteren wesentlichen Kostentreiber machte er die im Laufe der Zeit verschärften Bauvorschriften und Normen aus. Hier besteht Entrümpelungsbedarf, erkannte auch Hilmar von Lojewski. Der Leiter des Dezernats Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr des Deutschen Städtetags sprach sich dafür aus, Standards zu überprüfen, um Baukosten zu senken. Der Stand der Technik dürfe nicht automatisch als Baunormen definiert werden.

Dass eine lange erhobene Forderung von Kommunen auf Bundesebene ankam, führte Mathias Metzmacher vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung aus. Er stellte das „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen des Bundes“ vor. Darin sei unter anderem die Forderung enthalten, das Baugesetzbuch so zu ändern, dass die Ausweisung von Alternativflächen möglich werde. Damit könnte die Verhandlungsposition der Gemeinden gegenüber Grundstückseigentümern deutlich verbessert werden.

Welche Hebel haben Städte und Gemeinden dafür zu sorgen, dass die Grundstücke auch wirklich bebaut werden? Fachanwalt Dr. Thomas Burmeister aus Freiburg zeigte Wege auf, bereits im Kaufvertrag eine Bauverpflichtung zu verankern. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag von Hilmar von Lojewski, das „schärfste Schwert“ des Baugesetzbuches zu ziehen, die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Sie enthält die Pflicht, Grundstücke zu bebauen. Darüber hinaus forderte er ein Verfallsdatum für Baugenehmigungen.

Qualität auf kleinem Raum

Sobald viele Menschen auf möglichst wenig Raum wohnen, sinken die Preise. Michael Wenderoth und Frank Schneider von ARP ArchitektenPartnerschaft Stuttgart zeigten anhand von Beispielen, dass auch 200 Menschen auf einem Hektar leben könnten, ohne Abstriche bei der Wohnqualität hinnehmen zu müssen. Wilhelm Natrup von der Baudirektion des Kantons Zürich plädierte dafür, nicht nur auf die Einwohner pro Hektar zu schauen, sondern auch die Zusammensetzung der Bevölkerung (soziale Dichte) und die verschiedenen Nutzungen (funktionale Dichte) im Auge zu behalten. Die Akzeptanz für Nachverdichtung sei angesichts der hohen Zufriedenheit mit der heutigen Situation gering, stellte er die Ergebnisse einer Befragung vor. Nachverdichtung solle vor allem im urbanen Raum stattfinden. Um die Akzeptanz zu erhöhen, müssten Qualität bewahrt und Defizite behoben werden, zum Beispiel Lärmreduktion, besser Verkehrsanbindung oder niedrigere Wohnkosten. Einen neidischen Blick nach Zürich konnte sich Beatrice Soltys, Vizepräsidentin der Architektenkammer Baden-Württemberg, nicht verkneifen. Dort seien die Ziele bereits umgesetzt. Damit sei man einige Jahrzehnte voraus.

Die Mischung macht’s, so könnte man das Beispiel der Stadt Konstanz zusammenfassen. Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn stellte das Handlungsprogramm Wohnen vor. Auf 44 Flächen fördert die Stadt Wohnungsbau. Dort sollen Menschen mit niedrigem Geldbeutel, Senioren oder Junge ebenso ein Zuhause finden wie Besserverdienende. Diese „Durchmischung“ sei in Konstanz gesetzt.“

Kommentar

Der Fachtag und sein Resümee muten an wie ein Feigenblatt. Man sucht überall nach Lösungsansätzen und nutzt die eigenen Möglichkeiten nicht. Seit Jahren weist die Fraktion Freie Wähler darauf hin, dass den Kommunen zu wenig Entscheidungsspielraum bei der Ausweisung von Baugebieten eingeräumt wird. Die möglichen Zuwachsraten von 1,5 % in fünf Jahren bei Gemeinden im Siedlungsbereich und gar nur von 1 % in den übrigen Bereichen reichen bei weitem nicht aus, um den Status quo zu halten, geschweigend denn den erforderlichen Zuwachs an Wohnungen zu ermöglichen. Neben Faktoren wie öffentliche Widerstände gegen neue Baugebiete, Umweltschutzhemmnisse (EU und Bundesrecht) und Konflikten mit der Landwirtschaft sind es auch die viel zu engen Regeln des Verbands Region Stuttgart, die den Wohnungsbau bremsen. Aufbauend auf längst überholten Bevölkerungsprognosen werden zu wenig Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet.

Die Aussage des Verbandsvorsitzenden Thomas Bopp, man habe in den Wohnungsschwerpunkten Flächen für 150 000 Einwohner zeigt seine Praxisferne. Einwohnerwanderungen lassen sich nur begrenzt steuern. Auch der scheinbar logische Ansatz, Siedlungen vor allem an S-Bahn-Achsen zu konzentrieren, ist nur auf den ersten Blick hilfreich. Wohngebiete und damit Wohnraum entstehen dort, wo die Gemeinden wollen und sich aktiv um Lösungen bemühen. Häufig ist diese Bereitschaft gerade in kleineren Kommunen, außerhalb der Siedlungsschwerpunkte, erkennbar. Bei der Unterbringung von Flüchtlingen wird auch kein Unterschied zwischen Kommunen innerhalb und außerhalb der Siedlungsbereiche gemacht. Ähnliches gilt für einkommensschwache oder Großfamilien, die sich in den Zentren Wohnungen oft nicht leisten können.

Der Satz „Wir dürfen nicht alles zubauen“, ist wirklichkeitsfremd. Wohngebiete werden nur dort ausgewiesen, wo die Kommunen nach pflichtgemäßem Ermessen Bedarf erkennen und nach den Bestimmungen des Baugesetzbuches begründen können. Tatsächlich ist diese Regionalplanungstheorie ein beachtlicher Hemmschuh.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Stabilisierung von Einwohnerzahlen zur Stützung der privaten und öffentlichen Infrastruktur. Manchmal reicht schon ein mittleres Wohngebiet, um eine von der Schließung bedrohte Grundschule zu halten. Es macht doch keinen Sinn, vermeidbar Schulen zu schließen und andernorts mit hohem Aufwand neue Gebäude zu errichten.

Beim Fachtag dann auch noch, wie es die Regionaldirektorin Dr. Schelling geschafft hat, auf die Internationale Bauausstellung Stuttgart 2019 zu verweisen, verkennt die gegenwärtige Notlage völlig.

Das Erfolgsrezept der guten Entwicklung Baden-Württembergs nach dem Krieg waren selbständig und verantwortungsbewusst handelnde Kommunen. Natürlich sind auch Fehler gemacht worden, mittlerweile ist aber in allen Gemeinden ein ausreichend kritischer Blick für den Bedarf vorhanden. Niemand will Investitionsruinen. Einer großen Zahl Wohnungssuchender die Chance auf eine bezahlbare Wohnung zu nehmen, wird unserer Verantwortung auch nicht gerecht. Jede neue Wohnung, egal wo in welchen Preissegment, schafft im Wege der Nachsickerung am Ende der Kette eine frei werdende preisgünstige Wohnung.

 

(Alfred Bachofer)

 

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