Leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist Voraussetzung für Wirtschaftsentwicklung und Lebensqualität

Wir brauchen ÖPNV und eine gutes Straßennetz – Zu viele „Stolpersteine“ im ÖPNV-System

Die täglichen Schlagzeilen zeigen es überdeutlich – die Verkehrsinfrastruktur in der Region Stuttgart kommt an ihre Grenzen. Ein größerer Unfall legt das Straßennetz lahm und eine Störung im S-Bahn-Netz hat weitreichende Folgen. Als Träger des S-Bahn-Netzes ist die Region Stuttgart in der Pflicht, das System zukunftsfähig auszubauen und gemeinsam mit der Bahn die Störungsanfälligkeit zu minimieren. Dazu gab es schon mehrere „S-Bahn-Gipfel, bisher ohne den gewünschten Erfolg. Auch in der letzten Regionalversammlung stand die „Weiterentwicklung des ÖPNV“ im Fokus.

Lesen Sie dazu die zur Beratung vorliegende Vorlage Nr. 38.

Der Verkehrsexperte der Fraktion, Regionalrat Bernhard Maier, Landrat a.D., nahm in der Debatte wie folgt Stellung:

Weiterentwicklung des ÖPNV

Der ÖPNV ist für die Mobilität der Menschen in der Region ein unverzichtbares Standbein. Die kontinuierliche Steigerung der Fahrgastzahlen in den letzten Jahren ist ein deutlicher Beleg dafür, oder anders herum: ohne einen leistungsfähigen ÖPNV wäre das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in der Region lahmgelegt, der ÖPNV ist eine wichtige Grundlage unseres Wohlstandes und Lebensqualität.

In den vergangenen Jahrzehnten konnte der ÖPNV in der Region als Gemeinschaftsleistung aller Beteiligten deutlich verbessert werden. Die Nachfrage hat seit dem Verbundstart 1978 um 33% zugenommen, die Zuwachszahlen der letzten Jahre gehen im Schnitt noch stärker nach oben. Alle Beteiligten, allen voran der Verband Region Stuttgart haben für Infrastruktur und Verkehrsverbesserungen unglaublich viel Geld in die Hand genommen. Trotzdem hat sich der modal-split nicht spürbar zugunsten des ÖPNV verbessert.

Die Ursache liegt in der nach wie vor stattfindenden Zunahme von Fahrten im Individualverkehr. Die Mobilität der Menschen steigt kontinuierlich. Wenn es gelingt den Zuwachs stärker auf den ÖPNV zu lenken, haben wir schon viel erreicht, Nahziel muss es aber sein, wenigstens den modal–split zu halten. Um das zu schaffen sind , wie die Vergangenheit gezeigt hat, erhebliche Kraftanstrengungen, unter mittlerweile erschwerten Bedingungen , erforderlich. Nur zur Erinnerung: In diesen Zeiten hat die Förderquote 85% betragen…

Im ÖPNV-Pakt wurde als Ziel bis zum Jahr 2025 die Zahl der Fahrgäste um mindestens 20% zu erhöhen, ausgegeben. Das scheint realistisch, ist aber etwas anderes als die vom Verkehrsminister verkündete Zahl von 20% Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs  und Verlagerung auf den ÖPNV. Dies ist eine Illusion, weil sie eine Verdoppelung der Verkehrsleistung des ÖPNV bedeutet, die nie und nimmer erreichbar ist.

Schon die anvisierte Steigerung um 20% ist eine gewaltige Herausforderung, die unter schwieriger gewordenen finanziellen Rahmenbedingungen zu meistern ist. Wir müssen uns als erstes für eine nachhaltige und auskömmliche Finanzierung des öffentlichen Verkehrs einsetzen, denn eine deutliche Verbesserung des ÖPNV-Angebotes ist nur mit entsprechenden finanziellen Mitteln zu erreichen. Das können nicht nur kommunale Mittel sein.

Hierzu müssen zunächst die Bundesmittel gesichert, verstetigt und angehoben werden. Die Fortsetzung und kostenorientierte Aufstockung von GVFG-Mitteln, Entflechtungsmitteln und Regionalisierungsmitteln, sind eine zentrale Voraussetzung.

Aber auch das Land ist in der Pflicht. In der angemessenen Weiterleitung der Bundesmittel, in der Anhebung des Rahmens und der Förderquote des Landes-GVFG, in der Förderung der Verbünde und der Schüler- und Behindertenverkehre.

Mit abgesenkten und pauschalierten Fördersätzen ist eine Steigerung des Infrastrukturausbaus jedenfalls nicht zu erreichen. Von einer dringend notwendigen Verbesserung ist im ÖPNV-Pakt und auch im Koalitionsvertrag allerdings leider nicht die Rede.

Neben den finanziellen Aspekten will ich, mangels Zeit, nur kurz auf die inhaltlichen Herausforderungen für den ÖPNV eingehen. Ausführlich werden die Inhalte ja noch im Regionalverkehrsplan festgelegt werden.

  • die Zuverlässigkeit des Systems S-Bahn muss wieder hergestellt und dauerhaft gesichert werden. Die Bahn ist der große Profiteur des S-Bahnvertrags. Neben den jährlichen Fahrpreissteigerungen profitiert sie erheblich durch die Fahrgastzuwächse als quasi außerordentlicher Ertrag. Es darf erwartet werden, dass sie diese Gewinne wieder in das System investiert, leider ist davon bisher wenig zu spüren. Die Einführung von ETCS wäre hier ein gutes Beispiel.
  • Auch wir selber müssen unser S-Bahn System schützen, durch Vermeidung von Konkurrenzverkehren an Engpässen (Hesse-Bahn), durch tangentiale Verkehrsangebote zwischen den Mittelzentren und Verkehrsknoten. ( S-Bahn ins Neckartal, Expressbusse), durch Taktverdichtungen an geeigneten Stellen.
  • Damit in absehbarer Zeit neue Kunden die S-Bahn nutzen können, bedarf es alternativer Entlastungsmaßnahmen. Der Aufbau der Metropol-Express-Bahn ist hier ein klassisches Beispiel, weil der Regionalexpressverkehr in der Region, im Gegensatz zur S-Bahn noch Kapazitätsreserven hat. Mit der Fertigstellung von S-21 kann hier ein neues durchgehendes Verkehrsmittel quasi über die S-Bahn gelegt werden, das für die S-Bahn erhebliche Entlastungswirkung hat. Auch die Panoramabahn kann eine Option sein.
  • Für die offensive intermodale Vernetzung der S-Bahn, des übrigen SPNV, der Stadtbahnen und Busverkehre mit anderen Verkehrsträgern wie Auto, Fahrrad und dem Gehen zu Fuß, braucht es integrierte Ansätze. Dazu gehören ein intermodales Verkehrsmanagement aus einem Guss, eine einheitliche Regelung für Umsteigeeinrichtungen (Park & Ride) und der weitere Ausbau von Mobilitätspunkten.
  • Natürlich darf bei den Freien Wählern hier auch der Hinweis auf das Geld nicht fehlen. Dazu gehört für uns, dass neben der unbedingt erforderlichen Fortentwicklung der Einnahmenaufteilung im VVS in Richtung Nachfrageorientierung, auch, dass die Finanzierungsverantwortung der Aufgabenverantwortung eindeutig folgt. Grundvoraussetzung bei der erfolgreichen Weiterentwicklung des ÖPNV in der Region ist aber die Einigkeit der Aufgabenträger auf status quo und gemeinsame Ziele. Dies wurde mit dem ÖPNV-Pakt erreicht, Dies ist das Beste daran, der jahrelange, lähmende Zuständigkeitsstreit ist beendet, alle formieren sich hinter gemeinsame Ziele, auch in der Regionalversammlung. Dies stimmt uns zuversichtlich, diese Entwicklung stetig, nachhaltig und letztlich erfolgreich zu steuern.

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