Freie-Wählertag am 6. Mai in Elzach

Freie Wähler Landesverband Baden-Württemberg e. V. feierte den Freie Wähler Tag 2017 in Elzach im Landkreis Emmendingen in neuem Format. Statt Reden kamen Erfahrungen, Anregungen und nachahmenswerte Beispiele zum Zug. Herausfordernd waren die Thesen des ehemaligen Bezirksbürgermeisters von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky. Publikumslieblinge wurden die engagierten jungen Menschen aus dem Elztal mit ihrem Betreuer Udo Wenzl, Kommunalberater aus Waldkirch.

Einen Freie Wähler Tag der besonderen Art erlebten die rund 150 Gäste und Delegierte am vergangenen Wochenende in Elzach in der Steinberghalle im Landkreis Emmendingen. Bestnoten erhielten die Freien Wähler Elzach mit ihrem Vorsitzenden Joachim Disch, die mit kulinarischen Köstlichkeiten und einer tadellosen Organisation den gesamten Veranstaltungsverlauf prägten.

 

Der Blick zeigt die Ehrengäste und die vielen Besucher

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Staatssekretärin Bärbl Mielich vom Ministerium für Soziales und Integration hielt als Ehrengast das Grußwort zum Thema Integration.

Sie zeigte anhand des erst kürzlich geschlossenen Paktes für Integration auf, dass das Land viel für die Integration der zu uns geflüchteten Menschen unternimmt. Rund 320 Millionen Euro werden den Kommunen für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt. Mit über 100 Millionen Euro sollen im Land rund 1.000 Integrationsmanager finanziert werden. Damit sei die Landesregierung den Kommunen in einem Bereich entgegengekommen, der für die gelingende Integration von besonderer Bedeutung sei. Die Integrationsmanager sind für die Beratung, die Sozialbegleitung, den Kontakt zu den Schulen und dem Ehrenamt eine besonders wichtige Stütze in den Rathäusern. Weitere kurze Grußbotschaften überbrachten der Landrat des Landkreises Emmendingen, Hanno Hurth sowie der Bürgermeister der Stadt Elzach, Roland Tibi.

In der Festrede zeigte der ehemalige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, zunächst die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Berlin-Neukölln und dem ländlichen Raum auf. Berlin-Neukölln hat rund 320.000 Einwohner und davon seien rund 140.000 Menschen mit Migrationshintergrund, was einem Anteil von fast 44 % entspräche. Außerdem vollziehe sich Integration in der Anonymität einer Großstadt gänzlich anders als in dem Raum mit sozialen und gesellschaftlichen Beziehungen von kleinen Städten und Gemeinden. Ein Patentrezept für gelingende Integration habe ich er nicht in der Tasche, wohl aber Grundvoraussetzungen für gelingende Integration. Vorher zeigte er noch die schwierige Situation auf, in denen sich die überwiegend jungen Männer im Alter von rund 25 Jahren befinden, wenn sie nach Deutschland kommen und in den Asylbewerberheimen ohne Arbeit warten müssten, bis über ihren Antrage entschieden werde. „In einer solchen Situation würden auch deutsche junge Männer kriminell werden“, war seine Schlussfolgerung. Folgende Thesen für gelingende Integration führte er in seiner Rede auf:

  1. Es darf zu keinem „Grenzverzicht“ mehr kommen. Wir müssen uns intensiv um die Menschen kümmern, die zu uns kommen und wir müssen wissen, wer zu uns gekommen ist. Kontrolle muss sein.
  2. Mit gezielten Wohnsitzauflagen müssen wir verhindern, dass ganze Familienclans in einige, wenige Großstädte ziehen, dort Parallel-gesellschaften aufbauen und diese dominieren. In solchen Gebieten kann nur eine gezielte Entflechtung helfen.
  3. Integration erfordert einen Kraftakt auch für die einheimische Bevölkerung. Flüchtlinge mit Bleibeperspektive müssen sich mit „Land und Leuten“ vor Ort auseinandersetzen.
  4. Wir sind ein Einwanderungsland geworden! Aufgrund der niedrigsten Geburtenrate der Welt benötigen wir Einwanderung für unsere Sozialsysteme. Und wir benötigen ein Einwanderungsgesetz. Die Punkteregelung von Kanada kann eine Möglichkeit sein, klare Kriterien für die Zuwanderung festzulegen (Punkte gibt es für den Bildungsabschluss, ein Jobangebot, Sprachkenntnisse und Integrationsvorteile wie z.B. frühere Aufenthalte in dem Land).
  5. Der Kindergarten ist ein „Integrationsturbo“! Wer die Sprache des aufnehmenden Landes beherrscht, erwirbt für sich eine Lebens-perspektive, die ohne Sprachkenntnis versagt bleibt.
  6. Unser Schulsystem muss sich auf Menschen mit Migrationshintergrund noch besser einstellen. Dazu benötigen wir Fachleute und eine besonders auf die Flüchtlinge abgestimmte Pädagogik. Ohne Bildung gibt es keine Integration und ohne Integration gibt es für die Flüchtlinge auch keinen Wohlstand, der oft heiß ersehnt wird.
  7. Wir müssen uns auf weitere „Flüchtlingswellen“ einstellen. In Afrika warten schon heute Millionen von Menschen, deren Ziel die Gesellschaften von Europa mit Deutschland an der Spitze sind. Wann diese Flüchtlingsströme erneut in Europa ankommen, ist noch nicht absehbar. Aber „dass“ die Menschen auf gepackten Koffern sitzen, sei eine bekannte Tatsache.

Wie Integration in der Kleinstadt Elzach aussieht und welche Aufgaben sie mit sich bringt, zeigte die Integrationsbeauftragte der Stadt, Marlies Schill, im Interview mit Landesvorsitzendem Wolfgang Faißt auf. Derzeit würden rund 100 Flüchtlinge in Elzach leben. Um diese Menschen kümmere sich ein Netzwerk mit fast genauso vielen ehrenamtlich Engagierten. Marlies Schill informierte auch über den Kleiderladen, der Elzacher Fundgrube, das Café Vielfalt oder die Fahrradwerkstatt. Alle an der Flüchtlingsaufnahme beteiligten Institutionen und Helferkreise hätten sich zu einem Netzwerk Elzach zusammengeschlossen, das sich regelmäßig im Rahmen eines Runden Tisches treffen würde. Die wichtigste Integrationsarbeit werde aber in den Schulen, Kindergärten und auch den Vereinen geleistet. Ein weiterer wichtiger Baustein für Integrationsgelingen sei die dezentrale Unterbringung in städtischen, kirchlichen und privaten Wohnungen.

Zum Abschluss fasste Landesgeschäftsführer Friedhelm Werner vier Knackpunkte für gelingende Integration in einem sogenannten magischen Viereck zusammen, denen Kommunalpolitiker besondere Aufmerksamkeit widmen sollten. Magisch sei das Viereck deshalb, weil auf keinen Baustein verzichtet werden könnte und weil jeder seine ganz besondere Ausstrahlungswirkung auf die Integration habe.

  1. Sprache und Bildung sind Grundvoraussetzungen. Wir müssen sie fördern.
  2. Ausbildung und Arbeit sind unerlässlich für Menschen mit Bleibeperspektive.
  3. Ohne die Vermittlung von Werten und Grundlagen unserer Gesellschaft gelingt Integration nicht.
  4. Ein motiviertes Ehrenamt, eine engagierte Zivilgesellschaft ist der Schlüssel zum Erfolg von Integration.

Der Nachmittag des Freie Wähler Tages 2017 stand ganz im Zeichen der Jugend. Landesvorstand Heike Christmann, Karlsbad, konnte drei Freie Wähler Ortsvereine mit Preisen auszeichnen, die nachahmenswerte Aktionen zur Nachwuchsfindung erfolgreich umgesetzt hatten. Den ersten Preis erhielten die Freien Wähler Baienfurt für ihre Obstbaumreihen-Aktion. Der zweite Preis ging an die Freien Wähler aus Oberkochen, die mit ihrem Tischkicker-Turnier überzeugt hatten. Und der dritte Preis wurde den Freien Wählern Ammerbuch für ihre Aktion „Kommunaler Mittelpunkt einer Gemeinde“ zugesprochen. Dass Freie Wähler ganz gezielt in den Nachwuchs im Blick haben, zeigte Landesvorstand Heike Christmann anhand von vielen weiteren Aktionen auf, die Freie Wähler im Lande umsetzen. Dazu gehöre auch der Youtube-Film-Wettbewerb, der von den Freien Wählern Karlsdorf Neuthard durchgeführt werde oder der Nachtbus, den die Freien Wähler Ludwigsburg in Hoheneck initiiert und umgesetzt haben.

Dass Freie Wähler Jugendbeteiligung fördern und fordern wurde im Anschluss an die Preisverleihung deutlich. Udo Wenzl, systemischer Kommunalberater und Experte für Kinder- und Jugendbeteiligung aus Waldkirch präsentierte vielfältige Formen und Möglichkeiten der Beteiligung von jungen Menschen am kommunalen Geschehen. Zunächst stellten die jungen Menschen ihre Beweggründe für ehrenamtliches Engagement vor. Dabei wurde deutlich, dass Engagement vor Ort im Verein oder in der Kirche von den Jugendlichen immer noch als attraktiv und erstrebenswert angesehen wurde. „Die Aufgabe macht mir Spaß, ich kann viel über mich und andere lernen und ich bin sogar Vorbild, wenn ich meine Jugendgruppe leite“, waren Antworten, die die jungen Menschen den Delegierten weitergaben. Udo Wenzl ging in seinem Impuls auf die Kriterien ein, die zum Erfolg von Jugend-beteiligung führen:

  1. Jugendbeteiligung gelingt, wenn junge Menschen bereits auf gute Beteiligungserfahrungen aus der Familie, der Freizeit und der Schule zurückgreifen können.
  2. Jugendbeteiligung gelingt, wenn junge Menschen mit dem Verlauf, dem Prozess zufrieden sind und die Ergebnisse zeitnah erleben.
  3. Jugendbeteiligung gelingt, wenn junge Menschen politisch interessiert sind und wissen wo und wie sie sich beteiligen können.
  4. Jugendbeteiligung gelingt, wenn Freunde mitmachen.

Udo Wenzls Fazit an diesem Nachmittag: „Junge Menschen brauchen Aufgaben, an denen sie wachsen. Vorbilder, an denen sie sich orientieren können und Gemeinschaften in denen sie sich aufgehoben fühlen!“ Im Anschluss stellten Benedikt Biehrer und Pavlos Wacker die preisgekrönte Mitfahr-App „Mobil im Tal“ vor. Im Rahmen eines Jugendbeteiligungsprojekts haben sich Benedikt, Pavlos und einige andere Jugendliche eine Mitfahrbörse im Netz ausgedacht. „Wir wollten eine App, weil wir primär Jugendliche erreichen wollten“, sagt Pavlos Wacker. Vor allem bedienerfreundlich sollte die Handysoftware sein. Jeder, der im Elztal oder Simonswäldertal unterwegs ist, kann seine Fahrt in der App eintragen. Wer eine Mitfahrgelegenheit sucht, sieht auf den Abfahrttabellen für jeden Ort, ob jemand an seinen gewünschten Zielort fährt. Dann nimmt er Kontakt mit dem Fahrer auf. Viele Pendler stellen so ihre Fahrten regelmäßig ins Netz und nehmen auf diese Weise „fast lauter nette Leute mit“, wie den Berichten zu entnehmen war. Rund 500 Nutzer haben sich bislang angemeldet und das Programm ist ein großer Erfolg geworden.

Das neue Format des Freie Wähler Tages 2017 mit anschließender Jahreshauptversammlung wurde von allen Delegierten und Gästen positiv aufgenommen. „Keine langen Reden, sondern viel Umsetzbares für die Praxis für unsere Kommune“, war als einhelliges Fazit zu hören.

 

 

 

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