Riesige Investitionen in den Schienenknoten Stuttgart

Das S-Bahn-Netz Region Stuttgart wird auf die Zukunft ausgerichtet.

58 neue S-Bahn-Fahrzeuge bis 2022 – Verlängerung des Verkehrsvertrags  mit der Deutschen Bahn um 4 Jahre

Es geht um mehr Pünktlichkeit und mehr Kapazitäten im S-Bahn-Verkehr – dafür hat heute die Regionalversammlung den Weg frei gemacht. Ohne Gegenstimme beschloss sie die Anschaffung von 58 neuen S-Bahn-Fahrzeugen für ein besseres und zuverlässigeres Verkehrsangebot bei der S-Bahn, die Ausrüstung der gesamten S-Bahn-Flotte mit ETCS/ATO und die damit verbundene Verlängerung des Verkehrsvertrags mit der DB Regio AG über den Betrieb der S-Bahn um weitere vier Jahre.

Das europaweit standardisierte Zugbeeinflussungssytem ETCS (European Train Control System) Level 2 in Verbindung mit digitaler Stellwerkstechnik (DSTW) und einer Teilautomatisierung des Betriebs (ATO GoA 2) soll im Stuttgarter Schienenknoten als bundesweites Pilotprojekt erprobt werden und ab 2025 im Regelbetrieb zur Verfügung stehen. Die neue Signaltechnik ermöglicht eine kürzere Zugfolge und höhere Geschwindigkeiten, das erhöht die Kapazität auf der bestehenden Infrastruktur um bis zu 20 Prozent – für einen Abbau von Verspätungen oder auch für zusätzlichen S-Bahn-Verkehr.

Die nun bestellten 58 zusätzlichen S-Bahn-Fahrzeuge des Typs ET 430 ermöglichen zukünftig weitere Verbesserungen im S-Bahn-Verkehr: Erstens sollen in der Hauptverkehrszeit alle S-Bahnen als Langzüge fahren. Zweitens könnten vier weitere Züge in der Stunde zwischen Schwabstraße und Stuttgart-Vaihingen verkehren, beispielsweise Züge der Linien S4, S5 oder S6. Drittens könnten zwei davon sogar bis nach Böblingen fahren. Viertens sollen auf der S-Bahn-Linie S6 von Weil der Stadt und Feuerbach halbstündlich zusätzliche Verstärkerzüge der S-Bahn aufs Gleis gesetzt werden. Fünftens könnte die S-Bahn auch auf den Außenlinien der S60, zwischen Plochingen und Kirchheim/Teck (oder alternierend nach Nürtingen) sowie zwischen Vaihingen und Neuhausen zukünftig im 15-Minuten-Takts fahren. Einige der genannten Verbesserungen erfordern im Vorfeld noch Umbauarbeiten oder Ergänzungen an der vorhandenen Infrastruktur und müssen fahrplantechnisch noch feinabgestimmt werden.

Die 58 neue Fahrzeuge werden insgesamt 421,8 Millionen Euro kosten. Im Rahmen des Gesamtpakets hat die Regionalversammlung in Aussicht gestellt, die Große Wendlinger Kurve mit 12,5 Millionen Euro zu unterstützen, sofern die Region Neckar-Alb den gleichen Betrag zahlt. Sie sieht darin Chancen für mögliche zukünftige S-Bahn-Verbindungen von den Fildern ins Neckartal. Das Gesamtpaket aller zusätzlichen Maßnahmen erhöht die regionale Verkehrsumlage der VVS-Landkreise und der Landeshauptstadt Stuttgart nach derzeitigem Stand um jährlich elf bis zwölf Millionen Euro von 2021 bis 2031 einschließlich.

Der Verkehrsexperte der Fraktion, Landrat a.D. Bernhard Maier, hob die Bedeutung der anstehenden Entscheidung hervor. Wörtlich führte er aus:

“ Der Verkehrsfluss in der Region Stuttgart stockt. Die Situation auf den Straßen brauche ich hier nicht zu beschreiben, die Problematik mit der Luftreinhaltung und den Fahrverboten auch nicht. Das haben wir an anderer Stelle getan. Mit einem Ziel sind wir uns alle einig: So viel Verkehr wie möglich auf den Öffentlichen Verkehr (ÖV) zu übertragen. Wie viel das sein kann, darüber können wir uns trefflich streiten.

Fakt aber ist, dass auch der ÖV am Anschlag ist. Das gilt insbesondere für unsere S-Bahn. Mit der Ausweitung des Angebots, der Steigerung der Fahrgäste um 20% auf 420 000 Fahrten/Tag in zehn Jahren, werden eklatante Qualitäts- und Quantitätsmängel offenkundig. Glaubwürdige Prognosen rechnen mit 460 000 Fahrten/Tag in zehn Jahren. Das System wird ein Opfer des eigenen Erfolgs. Die am 1.4.2019 greifende Tarifreform wird ein Übriges dazu beitragen.

Das Ziel ist klar: wir brauchen eine Angebots- und Qualitätsoffensive zur Attraktivitätssteigerung der S-Bahn. Genau das wollen wir heute auf den Weg bringen.

Was wir heute beschließen, ist ein Kraftakt und hat eine Dimension, wie wir sie bisher nicht gekannt haben. Mit der Entscheidung ETCS einzuführen, 58 neue S-Bahnzüge zu bestellen, wichtige Infrastrukturmaßnahmen auf den Weg zu bringen, werden Investitionsmittel von fast einer Milliarde angeschoben, eine Zahl die man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen muss. Ich gebe zu, ich habe in meinem kommunalpolitischen Leben noch nie an einem Beschluss in dieser finanziellen Dimension und Tragweite mitgewirkt. .Das Ganze ist nicht mehr und nicht weniger als ein Ausbau- und Betriebsprogramm für die nächsten 15 Jahre, an dem auch künftige Regionalversammlungen zu tragen haben.

Und doch: eine Alternative dazu gibt es nicht, wenn wir unsere Verantwortung angesichts der Situation ernst nehmen. Wir geben zwar heute den Anstoß, aber wir sind dabei nicht allein. Das ganze ist ein Paket an dem Bund, Bahn und Land einen erheblichen Anteil tragen, zu Recht.

Die Infrastruktur der Bahn ist nach dem Grundgesetz sowohl als Hardware als auch als Software Aufgabe des Bundes und zwar zu 100%. Luftreinhalteplanungen, Maßnahmen daraus und der Regionalverkehr Sache des Landes. Wir sind als Verband Region Stuttgart (VRS) der einzige kommunale Aufgabenträger.

Ich sage es gleich vorweg, wir werden bei der Umsetzung penibel darauf achten, dass diese Koordinaten nicht zu Lasten des kommunalen Lagers verschoben werden. Insofern beginnt heute mit der Beschlussfassung über die Grundsätze die Feinarbeit im Hinblick auf Bund und Land. Uns allen war klar, dass wir mit dem heutigen Anstoß eine detaillierte Abwicklung noch nicht erhalten können. Zu vieles bleibt noch im Dunkel von Haushalts -und Finanzplanungen und künftigen Förderrichtlinien von Bund und Land verborgen.

So wissen wir sehr wohl, dass die heutige Verabschiedung dieses historischen Paktes vor allem auch auf Vertrauen beruht, Vertrauen, das durch die begleitenden Schreiben der Finanzierungspartner gestützt wird. Aus gemachter Erfahrung vermute ich, wir werden im Laufe der Jahre immer wieder darauf Bezug nehmen müssen. Gleichzeitig sehen wir aber auch die Chancen, die sich daraus ergeben, und die sind allemal größer als die Risiken. Eine Alternative dazu sehen wir nicht.

Für die sich aus diesen weiteren Verträgen und Abmachungen ergebenden Themen, wollen wir noch folgende Rahmenbedingungen festhalten:

  • Durch die zu beschließenden Maßnahmen, wird sich ein erheblicher Fahrgastzuwachs und werden sich damit auch Fahrgeldmehreinnahmen ergeben. Wir erhalten, entgegen dem Ursprungsvertrag, die auf diese Leistungsausweitungen lt. Neu- Vertrag mit der DB entfallenden Fahrgeldeinnahmen. Genau darauf schielt auch das Land; ein völlig ungewöhnlicher Vorgang, da auch alle Risiken bei uns liegen und die Fahrgeldmehreinnahmen durchaus ein Beitrag zur Finanzierung der Lasten aus diesem Paket für die Umlagenfinanzierer darstellen können. Gewinne werden wir sicher nicht erzielen, der Finanzierungsbedarf wird über Jahre bei 11 bis 14 Mio liegen .Wir lehnen den Griff des Landes in unsere Fahrgeldeinnahmen ab.
  • Das Land erwartet eine „erhöhte Kompromissbereitschaft“ bei anstehenden Fahrplanabstimmungen. Was immer auch darunter zu verstehen ist, ein Linientausch, was schon immer beim Land im Focus stand, kommt für uns nicht in Frage.
  • Wir sagen heute, auch nach Forderung des Landes, zu, eine Hauptverkehrszeit-Verdichterlinie (Sprinter) von Weil der Stadt nach Feuerbach mit mindestens 13 Zugpaaren je Werktag einzurichten und bestellen auch die Züge dafür. Damit muss sich aber auch die Phantomdebatte Hermann-Hesse-Bahn auf dem S-Bahn- Abschnitt Weil der Stadt-Renningen erledigt haben, die da beim besten Willen keinen Platz mehr hat. Ich weiß nicht ob die Calwer diesen Schuss schon gehört haben, aber eigentlich müssten sie uns dankbar sein, weil damit erhebliche Mittel in die Infrastruktur und den Bahnhofsumbau in Renningen eingespart werden. Für Calw bleibt die Option HHB bis Weil der Stadt oder auf eine S-Bahnverlängerung umzusteigen. Wir sind für beides offen und warten mit Interesse, wie man sich dort entscheidet.
  • Beim 15-Min.-Takt Wendlingen, ergibt sich im Zusammenhang mit der Wendlinger Kurve die Option einer S-Bahn im 30-Min.-Takt nach Nürtingen und mit der Regionalbahn von dort auf die Filder. (Ringschluss). (Mitfinanzierung). Wir sehen das positiv, aber nicht als Dauerlösung. Mindestens solange nicht, solange nicht die Machbarkeit einer S-Bahnverbindung von den Fildern ins Neckartal, die wir ja beauftragt haben, abschließend geklärt ist.

So wird sich mit diesem Paket noch manches Problem im Detail ergeben. Wir werden das aufmerksam begleiten und darauf achten, dass die kommunale Seite bei diesem Deal nicht zu kurz kommt. Was heute bleibt, ist der Dank an die Verbandsspitze und die Verwaltung. Sie haben erkannt, dass sich hier ein Fenster für unsere S-Bahn öffnet, das eine große Chance beinhaltet. Sie haben dieses Paket zusammen mit den Partnern geschnürt, gut verhandelt und uns bei dieser komplexen Materie bestens informiert, so dass wir heute, bei aller Eile, guten Gewissens diesen historischen Beschluss fassen können. Wenn nicht jetzt, wann dann. Die breite Zustimmung aller Fraktionen signalisiert, dass es dazu keine Alternativen gibt. Wir Freien Wähler werden diesen Beschluss mittragen.

 

 

 

 

 

Termine

Freie Wähler in der Region Stuttgart