Region beschließt umfassende Investitionsoffensive in S-Bahninfrastruktur

S-Bahn nach Nürtingen, Durchbindung von weiteren Linien aus dem Nordast bis Vaihingen/Böblingen/Ehningen, 15-Minuten-Takt auf der S60 Böblingen-Renningen und S62 als ergänzendes Angebot auf der S6 beschlossen.

Der regionale Verkehrsausschuss hat eine umfassende Infrastrukturoffensive für die S-Bahn beschlossen, die diverse Angebotsverbesserungen mit sich bringen wird. Die Geschäftsstelle des Verbands Region Stuttgart wurde bereits Mitte März beauftragt, entsprechende Verträge mit DB Netz AG und der DB Station&Service AG abzuschließen. Die ersten Ausschreibungen für Verbesserungen in Feuerbach und Vaihingen beginnen bereits im Frühsommer.

Konkret geht es bei der Infrastrukturoffensive um sechs Maßnahmen. So soll es auf der S6 eine zusätzlichen Verdichterlinie (S62) mindestens zwischen Leonberg und Feuerbach geben. Diese hätte entlastende Wirkungen auf die S6 und könnte zusätzlich neue Fahrgastpotenziale erschließen. Im Störungsfall gebe es zudem den Vorteil, dass bei Sperrung der Stammstrecke mehr S-Bahnen nach Feuerbach mit Verknüpfung zur Stadtbahn geführt werden könnten. Hierzu sind Umbaumaßnahmen an Gleis 130 im Bahnhof Feuerbach erforderlich.

Die Region Stuttgart und die S-Bahn Stuttgart sind vom Bund als bundesweites Pilotprojekt für die Ausstattung mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS L2 ausgewählt. Mit der Inbetriebnahme dieser neuen Technik könnten vier zusätzliche Züge pro Stunde von der Schwabstraße aus weiter nach Stuttgart-Vaihingen und zwei davon stündlich bis Böblingen und in einer weiteren Stufe dann bis Ehningen fahren. Neben der Ausstattung mit ETCS werden dafür weitere Anpassungen an der Infrastruktur erforderlich, die der Ausschuss auf den Weg bringen möchte.

Auch in Wendlingen, Oberboihingen und Nürtingen sind für die Weiterführung der S-Bahn von Plochingen bis nach Nürtingen Arbeiten an der Infrastruktur erforderlich. Nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 wird sich mit der
S-Bahn nach Nürtingen unter Einbeziehung des Regionalverkehrs erstmals ein Ringschluss ins Neckartal ergeben. Vom Flughafen ergäbe sich dann die Möglichkeit, mit dem Regionalverkehr nach Nürtingen und mit der S-Bahn weiter nach Plochingen zu fahren. Der S-Bahn-Halt in Nürtingen bringt auch für Oberboihingen eine deutliche Verbesserung der Anbindung an den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr.

Durch infrastrukturelle Anpassungen soll der 15-Minuten-Takt auf die S60 ausgeweitet werden. So bedarf es im Abschnitt zwischen Magstadt und Renningen-Süd zusätzlicher Signale sowie Anpassungen an den Lärmschutzwänden und dem Stellwerk. Im Bahnhof Sindelfingen ist für die S-Bahn ein Kreuzungsgleis mit einer zweiten Bahnsteigkante notwendig. Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen lässt sich in einer ersten Stufe ein 15-Minuten-Takt zwischen Sindelfingen und Renningen auf der S60 realisieren. Für die Weiterführung bis Böblingen sind weitere Anpassungen im Bahnhof Böblingen erforderlich.

Im Bahnhof Bad Cannstatt soll der Bahnsteig an Gleis 1 nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 auf eine Bahnsteighöhe von 96 cm erhöht werden, um barrierefreies Ein- und Aussteigen zu ermöglichen.

Der bereits Anfang 2019 beschlossene Kauf von neuen S-Bahn-Zügen erfordert auch weitere Abstellplätze für diese Fahrzeuge. Dafür sollen in Kornwestheim, Stuttgart-Vaihingen, Schorndorf, Bietigheim-Bissingen, Nürtingen und Esslingen insgesamt weitere 49 Abstellmöglichkeiten für S-Bahn-Triebzüge hergerichtet werden.

Finanzierung

Für die Umsetzung dieser Maßnahmen hat das Verkehrsministerium Baden-Württemberg eine Förderung aus dem neuen Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz   (LGVFG) in Aussicht gestellt. Der Fördersatz soll 75 Prozent betragen. Darüber hinaus würden die Planungskosten mit einem pauschalen Betrag in Höhe von 10 Prozent der Baukosten gefördert.

Um Synergien nutzen zu können und aus eisenbahnbetrieblichen und bautechnischen Zwängen heraus, sollen einige Maßnahmen gemeinsam mit dem Projekt Stuttgart 21 umgesetzt werden. Hierfür ist eine Vorfinanzierungszusage mit Ausfallgarantie durch den Verband Region Stuttgart erforderlich. Diese wird nach derzeitigem Kenntnisstand ein Volumen von maximal bis zu 35 Millionen Euro haben. Für die Finanzierung des regionalen Anteils wird die zweckgebundene Rücklage „Schienenknoten Stuttgart“ eingesetzt. Insgesamt hat der Ausschuss der Unterzeichnung einer Planungsvereinbarung sowie möglicher Ausfallgarantien bis zu 35 Millionen Euro zugestimmt. Nach Vorliegen der Förderzusage des Landes reduzieren sich diese Beträge um die Höhe der Landesförderung.

Die Sicht der Fraktion Freie Wähler

Der Sprecher der Fraktion, Bernhard Maier, befürwortete das Paket, sah aber die Zeit gekommen Bilanz zu ziehen. „Wir haben einen massiven Einbruch in den kommunalen Finanzen, weshalb wir uns bei neuen ausgabewirksamen Maßnahmen enthalten sollten“, so sein Appell.

Abschätzung der Kosten und die Auswirkungen auf die Kommunen

Außerhalb der Sitzung hat der Verkehrsexperte der Fraktion, Bernhard Maier, eine grobe Abschätzung der Investitionskosten des Gesamtpakets vorgenommen. Überschlägig rechnet er für die kommenden 5 – 10 Jahre mit einem Invest von ca. 1,5 Milliarden €. Noch nicht ermittelbar sind die Aufwendungen für den laufenden Betrieb und die Finanzierung (Zinsen), ebenso die Fahrgeldausfälle. Trotz einer hohen Förderung durch Bund und Land werden auf den Verband Region Stuttgart (VRS) riesige Belastungen (Größenordnung rd. 300 Mio. €) zukommen. Maier macht deutlich, dass dies letztlich durch die Städte und Gemeinden aufgebracht werden muss. Denen stehen als Folge der Corona-Krise enorme Einbrüche in den Haushalten bevor. Noch völlig unklar ist auch, wie die umfassenden Hilfsprogramme von EU, Bund und Land finanziert werden können. Die Rückführung der aufgenommenen Schulden und die Zinsbelastungen werden eine Generationenaufgabe sein.

Die langfristigen Auswirkungen auf die Städte und Gemeinden lassen sich überhaupt nicht abschätzen. Die Steuerausfälle können auch dann nicht mehr ausgeglichen werden, wenn der Wirtschaftsmotor wieder anspringt. Deshalb müssen neben Bund und Land vor allem der VRS und die Landkreise einen strikten Sparkurs fahren. Sonst werden tiefgreifende Einschnitte in die kommunalen Daseinsvorsorge die Folge sein. Es geht den Freien Wählern nicht darum, notwendige Zukunftssicherung, etwa beim Klimaschutz, in Frage zu stellen. Mehr denn je muss aber alles auf den Prüfstand, sonst sind die Kommunen nicht mehr in der Lage, ohne riesige Schuldaufnahmen zu Lasten kommender Generationen ihre Pflichtaufgaben auf den Feldern Kinderbetreuung, Bildung und Umweltschutz etc. zu schultern.

 

 

 

 

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