Björn Schittenhelm – bürgernah handeln statt lange reden
Foto und Text (ergänzt) aus Focus-Online
Apotheker Björn Schittenhelm macht’s vor: Hier gibt es die Gratis-Schnelltests, die Spahn versprochen hatte
Kostenlose Schnelltests für alle und damit sofort raus aus dem Lockdown: Das ist seine Idee. Mit seinem „Böblinger Modell“ legt der 37-Jährige das vor, was Angela Merkel und Jens Spahn gerade am meisten fehlt: eine sinnvolle Teststrategie.
Björn Schittenhelm – Apotheker und Stadtrat der Freien Wähler Holzgerlingen
Björn Schittenhelm ist, was wichtig ist, 37 Jahre alt. Er ist, was noch wichtiger ist, Apotheker. Und das, was man in Technik-affinen Kreisen einen „digital native“ nennt. Am wichtigsten aber: Schittenhelm versteht sein Geschäft. Er ist Unternehmer. Kein Verhinderer, kein Verwalter, sondern: ein Anpacker. Also hat er das entwickelt, was der Bundeskanzlerin und ihrem Gesundheitsminister gerade am meisten fehlt: eine funktionierende Test-Strategie.
Björn Schittenhelms Apotheke steht in Holzgerlingen, was im Alemannischen liegt. Gegen 300 nach Christus verdrängten die Alemannen die Römer aus dem idyllischen Flecken, weshalb Schittenhelms Firma „Alamannen“-Apotheke heißt. Hier tüftelte Schittenhelm aus, was heute der „Böblinger Weg“ heißt. Es ist zugleich ein schönes Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit zwischen der freien Wirtschaft sozusagen und der Politik funktionieren kann. Und es zeigt, wie weit man kommen kann, wenn Pragmatiker zusammen finden und ein Problem partnerschaftlich lösen wollen. Er handelt nach einem Grundprinzip der Freien Wähler: Nicht lange philosophieren, sondern bürgernah handeln!
Schittenhelm hat entwickelt, was Merkel und Spahn am meisten fehlt: eine clevere Test-Strategie
Sein Partner auf der anderen, der politischen Seite, ist der parteilose Landrat von Böblingen. Roland Bernhard heißt der Mann, er arbeitet seit 12 Jahren in diesem Job. Er hat sechs Kinder, so etwas erdet und hält jung. Als sich Schittenhelm Mitte November bei Bernhard mit seiner Test-Strategie vorstellte, war, wie der Apotheker FOCUS Online erzählt, der Lokalpolitiker sofort begeistert.
Am 21. Dezember konnte Schittenhelm sein Testzentrum in Schönbuch eröffnen. Inzwischen sind nach dessen Muster vier weitere Testzentren unterwegs, getestet werden jetzt bis zu 100 Menschen pro Stunde. Nachdem der Landrat verkündete, die Kosten für die Tests – anfangs musste jeder Testwillige noch 29 Euro aus seiner Tasche bezahlen – zu übernehmen, ging, so Schittenhelm, „die Nachfrage durch die Decke“.
Vor den Testzentren gibt es keine langen Schlangen. Das liegt an der Digitalisierung. Den Test-Termin kann man auf der Website der Alemannen-Apotheke buchen, dort gibt man dann seine Daten ein. Daten eingeben, das ist das, was am längsten dauert, viel länger als der eigentliche Test, das gehe in zwei bis drei Minuten. Die Aufnahme der Daten hat Schittenhelm outgesourct. Das machen seine Kunden. So gewinnt der Apotheker viel Zeit für seine eigentliche Aufgabe. Für Menschen, die mit diesem Prozess überfordert sind, gibt es immer noch die analoge Lösung, die Apotheke vor Ort, in der sich etwa eine ältere Oma anmelden kann.
„Der Böblinger Weg“: Ausbreitung verlangsamen, Inzidenzen drücken, Freiheit zurückgewinnen
Als Landrat Bernhard sah, wie prächtig Schittenhelms Testzentrum, in dem er die Tests mit freiwilligen Helfern vom Deutschen Roten Kreuz organisiert hat, funktionierte, sagte er: „Jetzt brauchen wir fünf Testzentren“. Schittenhelm rief befreundete Apotheker an, beteiligte sie an seinem Know-How und erfüllte dem Landrat dessen Wunsch. Heute testen in den fünf Zentren quer über den Landkreis 250 DRK-Helfer, der Landkreis zahlt den Apothekern 18 Euro pro Test, die Freiwilligen werden mit 27.50 Euro pro Stunde entlohnt.
Inzwischen ist Schittenhelm auch noch mobil unterwegs. Plus: „Wir haben Mini-Satellitentest-Zentren aufgebaut“, sagt der Apotheker. Die führen zu Schulen und Kitas, um dort zu testen. Die Satelliten stehen inzwischen auch in Rathäusern. Die Struktur im Alemannischen ist dörflich, also kleinteilig, die Test-Infrastruktur muss es ebenso sein.
13.000 Menschen sind inzwischen getestet, 125 Menschen waren „positiv“, sie konnten, sagt Schittenhelm, „aus der Infektionskette entfernt werden“. 125 Menschen weniger, das heißt: 125 potentielle Corona-Weiterträger weniger, unter ihnen wäre womöglich auch der eine oder andere so genannte „Superspreader“ gewesen. Das ist das, was man nach Schittenhelms Erfahrungen mit den Schnelltests erreichen kann: Die Ausbreitung des Virus verlangsamen, die Inzidenzen drücken, und: Freiheit zurückgewinnen.